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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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meine Tränen und mache mich aus dem Staub. Verdammt, was für ein Einstieg!
    Es ist der 17. Februar 1945: ein Tag fürs Poesiealbum.
    Wie hypnotisiert starrte Nelson auf das Datum: 17. Februar 1945! Der Zweite Weltkrieg.
    Levent hatte es geschafft. Er war in die Vergangenheit gereist. Wahnsinn!
    Im Dorf schlug die Kirchturmuhr. Leise wehten die Glockenklänge zur Burg herüber. Nelson bekam nichts davon mit. Er starrte auf die Seiten, bis die Buchstaben vor seinen Augen verschwammen. Er zitterte. Was ihm Levent durch sein Tagebuch gerade mitgeteilt hatte, war nicht weniger als die größte Sensation seit der ersten Mondlandung! Ein Quantensprung in der Entwicklung der Menschheit!
    Nelson atmete tief ein. Versuchte sich zu beruhigen.
    Dann wandte er sich wieder dem Buch zu. Die nächsten Seiten überflog er. Darauf gab Levent zunächst Details seiner Zeitmaschine preis, die er Madonna getauft hatte – eine Reminiszenz an die größte Popdiva aller Zeiten. In seiner Theorie sah sich Nelson bestätigt: Laserkanonen, Bose-Einstein-Kondensat, immense Rechenkapazitäten – Levent hatte die Theorie in die Praxis umgesetzt. Wozu ein Praktikum in einem wissenschaftlichen Institut gut sein konnte!
    Von wo er gestartet war, blieb im Dunkeln. Nelson dachte einen Moment darüber nach. Im Grunde genommen spielte es keine Rolle – Levent war fort und ohne Madonna konnte ihm niemand folgen!
    Nelson stockte, als er plötzlich auf einen seltsamen Abschnitt stieß:
    Ein Spielmann käme nicht in Verlegenheit: Sein fremdes Aussehen und seine ungewöhnliche Sprache erklären sich von selbst – als Künstler kommt er von weit her. Er darf lesen können, obwohl er kein Mönch ist, und Dinge wissen, die kein anderer weiß: Schließlich hatte er viele Lehrer und trotz seiner Jugend Gigs an etlichen Höfen. Seine Neugierde gehört zu seinem Beruf daher darf er Fragen stellen ohne Misstrauen zu erregen. Und sein Ungeschick im Umgang mit Waffen? Er schmiedet eben lieber Verse. Zudem ist ihm der Zugang zu jeder Burg, in jedes Kloster gewiss, schließlich ist er überall willkommen: als Sänger, als Botschafter, als Überbringer von Nachrichten, als Gesprächspartner und als Entertainer. Nur eines sollte er nicht: auf die Kacke hauen – ist er doch nicht nur von der Kommunion ausgeschlossen (was er vielleicht gerade so verkraften kann), sondern schutzlos bis in den Tod…
    Nelson las die Passage ein zweites Mal. Spielmänner – waren das nicht jene Bänkelsänger, die von Burg zu Burg wanderten, schmalzige Lieder vortrugen und den holden Damen schöne Augen machten? Was hatten denn die zu suchen zwischen kaltem Licht und gekrümmter Raumzeit?
    Es lag wohl an Nelsons Müdigkeit, dass es einige Augenblicke dauerte, bis ein weiterer Gedanke Gestalt annahm: War der Zweite Weltkrieg nur ein Ausrutscher gewesen und Levents eigentliches Ziel das Mittelalter? Die Rolle des Spielmanns könnte eine Tarnung sein!
    Nelson schnalzte mit der Zunge, woraufhin die Schnarchgeräusche seines Zimmernachbarn plötzlich aussetzten. Rasch knipste er die Taschenlampe aus. Lauschte. Doch Gottfried interessierte sich keine Bohne für Nelsons Geheimnis. Einige Augenblicke später setzte er seine Dampflok wieder in Gang und schnaufte keuchend davon.
    Nelson schaltete die Funzel wieder ein. Leise blätterte er weiter. Auf den nächsten zwei Seiten wurde der Ton ruppiger. Im Stakkato schilderte Levent die wiederkehrenden Probleme mit dem Zentralrechner, der die anfallende Datenmenge kaum bewältigte und aufgrund dessen ständig abstürzte. Rechner und Prozessoren nahmen Gestalt an und wurden mit derben Flüchen belegt, von denen Lahmarsch und Krücke noch die harmlosesten waren. Es folgten mehrere Sätze, die Levent dick unterstrichen hatte:
    Ich könnte in die Zukunft reisen. Wenn ich Glück habe, wird irgendwer in den nächsten Jahrzehnten die Siliziumchips endgültig in die Mottenkiste packen und einen Molekularrechner zur Reife entwickeln, dann wäre ich alle verdammten Probleme ein für alle Mal los!
    Genial, dachte Nelson, dessen Respekt für den Unbekannten von Seite zu Seite wuchs. Ein Rechner auf Molekular- oder DNA-Basis wäre nicht nur unendlich viel leistungsstärker als alle derzeit verfügbaren Computer, sondern auch so klein, dass man ihn problemlos in die Tasche stecken und zurück in die Vergangenheit transportieren könnte. War Levent seiner Idee gefolgt?
    Auch diese Antwort blieb ihm sein verschollener Freund schuldig.
    Auf der nächsten Seite

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