Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
Vom Netzwerk:
als ihm das glühende Eisen für alle Ewigkeit das Augenlicht nahm, noch nicht einmal zusammengezuckt. Sein Wille war größer als jede Grausamkeit, die ein Mensch ihm zuzufügen imstande war.
    Was weiter mit ihm geschehen war, hatte er nicht mitbekommen. Denn plötzlich waren die Henkersknechte in seinen Stall gekommen und hatten ihn rausgezerrt. Später erinnerte er sich daran, wie schnell er sich mit seinem Tode abgefunden hatte. Ein Moment der Angst, dann nur noch Leere. Kein Blick zurück, keine Trauer, kein Hass.
    Doch anstatt ihn einem Verhör zu unterziehen, um ihn danach zu verstümmeln oder zu töten, hatten sie ihn zur Burg geschleppt und in das Verlies gesperrt.
    Man gewährte ihm einen Aufschub. Seine Zeit war noch nicht gekommen.

6
     
     
     
    Nelson hatte an diesem Abend lange auf sein Rendezvous mit Levent warten müssen. Zwei Zimmer weiter feierte ein Zehntklässler Geburtstag und unglücklicherweise hatte er auch Gottfried zu einem kleinen Umtrunk eingeladen. Da Nelson Gottfrieds Neugierde kannte und hasste, war er gezwungen, bis zur Rückkehr seines Zimmernachbarn zu warten, bevor er sich Levents Aufzeichnungen widmen durfte. Doch kaum war Gottfried ins Bett gesackt, fiel es einem anderen Partygast ein, sich auf dem Flur vor ihrem Zimmer zu erleichtern, was Hausmeister Kunkel auf den Plan rief, dessen Flüche bis weit nach Mitternacht durch die Burg hallten.
    Jetzt war endlich Ruhe. Nelson zog die Decke über den Kopf und knipste die Taschenlampe an. Dann schlug er das Buch auf:
    Gestern hätten sie mich beinahe erwischt. Die Chronomatographie? Ein Initialisierungsfehler? Verdammt!
    Es hätte tiefe Nacht sein sollen, exakt drei Uhr morgens. Stattdessen lande ich am helllichten Tag und die ganze Burg ist in Aufruhr.
    Ich hatte schon so ein komisches Gefühl, als ich Madonna abgeschaltet und mich vom Dom aus auf den Weg gemacht habe. Die Luft zittert und Staub rieselt von der Decke. Auf dem Weg nach oben bricht um mich herum plötzlich die Hölle los. Schreie, Detonationen, Fußgetrampel – Szenen wie in einem verdammten Kriegsfilm!
    Soldaten kommen auf mich zugerannt, mit komischen runden Helmen und grauen Uniformen. Dahinter Frauen und Kinder, Panik in den Gesichtern, Alte auf Krücken, zwei Sanitäter, in ihrer Mitte einer mit einer klaffenden Wunde im Gesicht.
    Ich drücke mich an der Wand entlang, laufe die Treppe zum Festsaal hinauf. Keiner achtet auf mich, keiner spricht mich an. Plötzlich bin ich allein. Doch der Lärm um mich herum ist unerträglich. Draußen fallen Bomben, unglaubliche Explosionen, ein Zischen und Jaulen, bevor die nächste Granate einschlägt, ein Schrei, dann Stille, plötzlich zittert der Boden unter meinen Füßen, Splitter fliegen mir um die Ohren, einer trifft mich am Hals, ich blute, aber ich spüre keinen Schmerz.
    Noch seltsamer ist, dass ich auch sonst nichts empfinde: keine Angst, keine Beklemmungen, nichts. Ich bin wie betäubt, sehe Scheiben splittern, Wände einbrechen, bekomme kaum Luft vor Dreck und Staub und fühle mich wie einer, dem das Ganze nichts anhaben kann, weil er eigentlich nicht dazugehört.
    Dabei hätte ich krepieren können! Eine einzige Granate, eine einzige Kugel, ein Querschläger vielleicht, was weiß ich, verdammt, ich hätte draufgehen können und war cool wie ein verdammter Selbstmörder.
    Als ich wieder unten bin, quatscht mich plötzlich dieser Typ an: Was hast du hier zu suchen? Ich kenne dich nicht! Woher kommst du? Was willst du? Kannst du dich ausweisen? Spionierst du hier rum…? Auf einmal stehen Soldaten um mich herum, Gewehr im Anschlag. An Flucht ist nicht mehr zu denken. Ich verlege mich aufs Reden. Erkläre, dass ich aus dem Süden stamme, meine Eltern tot und ich auf der Flucht, ich sei doch erst zwölf und wüsste gar nicht, was sie von mir wollen… und überhaupt, ich bin doch allein, seht ihr, die vielen Bomben und Granaten, sie machen mir Angst, ich weiß doch nicht, wo ich bin und wo ich hinwill… Dann plärre ich los, wie ich in meinem ganzen Leben noch nicht geheult habe. Ich schaff es wirklich, dass mir die verdammten Tränen in Bächen die Backe runterlaufen.
    Plötzlich steht eine Frau neben mir, streicht mir über den Kopf und schreit die Soldaten an, ob sie nicht ganz bei Trost seien. Sie sollten sich was schämen, einen Jungen so einzuschüchtern, ein Waisenkind, fürwahr ein schrecklicher Feind!
    Die Soldaten treten verunsichert zurück, lassen mich ziehen. Mein Engel, meine Mutter Courage.
    Ich trockne

Weitere Kostenlose Bücher