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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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ihn das Publikum in diesem Moment hielt. Womöglich verfolgte der gewiefte Ritter bloß eine clevere Taktik, die seinen Gegner in dem Glauben wiegen sollte, den Sieg bereits in der Tasche zu haben. Nelson hoffte inständig, dass sich der blaue Reiter durch Guys Gehabe nicht täuschen ließ.
    Beim ersten Fanfarenstoß pressten beide Rivalen ihren Pferden die Sporen in die Flanken. Jetzt wurde offensichtlich, dass Nelson richtig gelegen hatte. Von einem Moment auf den anderen hatte Guy das lächerliche Gebaren von sich abgeschüttelt. Mit einer Behändigkeit, die ihm wohl kaum einer der Anwesenden zugetraut hätte, trieb er sein Streitross auf seinen Gegner zu, wobei seine ganze Haltung Kraft, Konzentration und Entschlossenheit verriet. Ohne erkennbare Anstrengung gelang es ihm, seine Lanze gänzlich ruhig zu halten, was die Wahrscheinlichkeit erhöhte, gleich im ersten Waffengang den entscheidenden Treffer zu setzen.
    Entsetzt nahm Nelson wahr, dass der blaue Reiter seinem Gegner eine offene Flanke bot. Er begriff nicht, wie ein ausgebuffter Streiter wie er so naiv sein konnte, auf eine solch plumpe List hereinzufallen. Im Augenblick des Zusammenpralls schloss Nelson die Augen. Ein kollektiver Aufschrei – dann war Ruhe.
    Nelson blinzelte und gewahrte zunächst nur eine Wolke aus Staub. Aus dieser löste sich ein Federschmuck, dem die Silhouette eines Ritters folgte – Guy de Clermont-Ferrand! Nelson stöhnte auf. Alles hatte er für möglich gehalten, nur das nicht! Ihr grandioser Plan war gescheitert, noch bevor sie eine Chance gehabt hatten, ihn wirklich umzusetzen.
    Doch plötzlich schälte sich auf der anderen Seite eine weitere Gestalt aus dem Staubnebel. Und auch diese saß aufrecht im Sattel. Nelson traute seinen Augen nicht. Der blaue Reiter ritt gemächlich zum Ausgangspunkt zurück. Er schien noch nicht einmal einen Kratzer abbekommen zu haben. Wie war das möglich?
    »Hast du das gesehen?«, stieß Luk hervor. »Irre! Erst lädt er ihn offen ein, hinzulangen, dann dreht er sich blitzartig zur Seite und schafft es auch noch, ihm von hinten einen mitzugeben. Irre! Wie Jackie Chan!«
    Nelson nickte dumpf. Er hatte gar nichts gesehen, aber das Schlimmste befürchtet. Allmählich dämmerte ihm, dass er den blauen Reiter unterschätzt hatte.
    Schon bereiteten sich die Ritter auf ihren nächsten Waffengang vor. An Guy war eine deutliche Veränderung zu bemerken. Seine Haltung signalisierte jetzt angespannte Vorsicht. Verbissen schwang er den Morgenstern über den Kopf und tauschte ihn am Ende gegen eine Zackenkugel mit längerer Kette aus. Der blaue Reiter prüfte währenddessen seinen Schild, ließ seinen Rappen einige Drehungen vollführen und wartete dann geduldig, bis ihm sein Gegner ein Zeichen gab, dass er bereit war den Kampf wieder aufzunehmen.
    Guys Pferd blähte die Nüstern. Schaum spritzte vom Rücken des Tieres, als ihm sein Herr die Sporen gab. Den Morgenstern in der Rechten, den Schild in der Linken jagten die Ritter aufeinander los. Nelson meinte in seinen Ohren das Surren der fürchterlichen Waffen zu hören, die wie bizarr geformte Bälle durch die Luft tanzten.
    Kurz bevor die Reiter einander erreichten, beugten sie sich nach vorn und ließen die gezackte Eisenkugel mit fürchterlicher Wucht auf ihren Gegner krachen. Beide hatte ihren Schild rechtzeitig oben um den Schlag abzuwehren. Im selben Moment begann der Rappe des blauen Reiters zu tänzeln, vollführte zwei, drei Pirouetten, als ob es bei diesem Kampf um Haltungsnoten ginge. Nelson fiel auf, dass sich Guy immer weiter aus dem Sattel beugte, und erkannte mit einem Mal den Grund für das seltsame Schauspiel: Die Morgensterne hatten sich ineinander verhakt und der blaue Reiter wickelte Guys Kette Drehung um Drehung um den Griff seiner eigenen Waffe. Der Franzose hatte keine Chance: Ließ er seine Waffe los, war der Kampf sofort entschieden – denn so lauteten die Regeln. Indem der blaue Reiter sein Pferd weiter tänzeln ließ, wie er es vor Beginn des Kampfes geprobt hatte, zog er den stolzen Franzosen immer weiter zu sich heran. Dieser ruckelte noch ein paar Mal an der Waffe, um sich vielleicht doch noch aus seiner misslichen Lage zu befreien, aber er hatte längst den Halt verloren, der für sein Vorhaben nötig gewesen wäre. Als er nur noch wenige Zentimeter von seinem Gegner entfernt war, gab er mit einem unschönen Fluch auf den Lippen auf und ließ die Waffe los.
    Das Publikum tobte vor Begeisterung, als der Sieger zur

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