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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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diese Frage war er nicht gefasst gewesen. Zum Glück sprang ihm Luk zur Seite. »Die Raufereien«, antwortete er leichthin, »haben unserem Bruder arg zugesetzt. Das viele Blut – du weißt schon… Ihn dürstete nach Stille und Abgeschiedenheit. Er weilt an einem Ort, wo er unserem Herrgott nahe sein kann.«
    »Heiliger Strohsack, wie man sich doch täuschen kann«, erwiderte Bruder Knollennase. »Ich hätte schwören können, euer Bruder habe großes Gefallen an dem Spektakel. Hörte ich ihn nicht sogar vom blauen Reiter schwärmen, als ihr das Turnier verließet? Ich kann mich natürlich täuschen…«
    »Bruder Ignatio ist ein Philosoph«, bemerkte Luk. »Wenn er ein Mysterium wittert, dann muss er es sogleich ergründen, verstehst du?«
    Tadeus grinste. »Ein Mysterium, ja, als solches mag man unseren scheuen Helden durchaus bezeichnen.«
    Wenig später erklangen die Fanfaren und kündigten den Einzug der Fürstenfamilie samt ihrer adligen Gefolgschaft an. Ein stattlicher Tross prächtig gewandeter Edelleute stolzierte feierlich zu den überdachten Ehrenlogen und nahm dort jene Plätze ein, die ihnen der Truchsess mit seinem langen Stab förmlich zuwies. Das dauerte natürlich eine Weile und steigerte Nelsons Spannung ins Unerträgliche. Wie ein von seiner schwachen Blase gepeinigter Erstklässler rutschte er auf seinem Sitz hin und her, bis ihn Tadeus antippte und hinüber zur Fürstenloge wies, wo sich gerade ein hochgewachsener Mönch in brauner Kutte neben dem Papstgesandten niederließ. »Habt ihr übrigens schon euren Bruder Alexander von Hales willkommen heißen dürfen?«, fragte Tadeus.
    Nelson sah die Knollennase irritiert an. »Bruder Alexander – äh, nein, wir sind doch vorhin erst… Ja, jetzt sehe ich ihn, na was für ein Glück…« Er wandte sich Luk zu und funkelte ihn wütend an. »Du freust dich sicher genauso wie ich, Gawein, habe ich Recht?«
    Luk blickte belämmert aus der Wäsche. Das hatte ihnen gerade noch gefehlt!

20
     
     
     
    Inzwischen hatten die Herrschaften ihre Plätze eingenommen. Auf einen Wink des Fürsten trat der Herold vor und verkündete, dass zwölf Ritter im Turnier verblieben waren und unter sich den Sieger ausmachen würden. Dann begann er die Namen der Kämpfer aufzurufen. Nacheinander trabten die Genannten auf den Platz, drehten unter dem Jubel ihrer jeweiligen Fans eine Runde und hielten schließlich vor der Ehrenloge, wo sie zum Zeichen ihrer Ehrerbietung die helmbewehrten Köpfe neigten.
    Der blaue Reiter war der Vorletzte, der genannt wurde. Bei seinem Auftauchen erklang von der Gegentribüne, wo das einfache Volk versammelt war, ein vielstimmiger Chor von Anfeuerungsrufen. Gebannt verfolgte Nelson, wie ihr Hoffnungsträger mit stolz erhobenem Haupt an den Zuschauern vorbeitrabte und sein mächtiges Streitross vor Judith und Schwester Clothilde zügelte. In dem Moment, da er vor seiner Angebeteten den Kopf senkte, hätte man eine Stecknadel auf Gras fallen hören können. Nelson warf einen raschen Blick hinüber zu den Ehrengästen und erkannte in vielen Gesichtern deutliche Missbilligung. Anscheinend empfanden die meisten Edelleute die Gunstbezeigung eines Ritters für eine Frau von niederem Stand als persönlichen Affront. Das Volk dagegen hatte der blaue Reiter durch seine demonstrative Geste nun vollends auf seine Seite gezogen. Als er sein Pferd wieder antrieb, setzte zunächst aufgeregtes Gemurmel ein, das schon bald zu einem tosenden Beifallssturm anschwoll. Der Ritter zeigte sich davon unbeeindruckt. Ohne sichtbare Regung empfing er die Ovationen, die manch anderem vor Stolz die Brust hätten schwellen lassen. Bei der Ehrenloge angelangt neigte er wie die anderen Ritter vor dem Fürstenpaar das Haupt und verharrte in dieser Stellung einige lange Sekunden. Der Anblick der frostigen Gesichter blieb ihm dabei erspart.
    Als schließlich der zwölfte und letzte Teilnehmer des Turniers aufgerufen wurde, waren Nelsons Gedanken schon längst bei den unmittelbar bevorstehenden Kämpfen. Infolgedessen setzte die Erkenntnis zeitversetzt ein. Dafür traf sie ihn mit voller Wucht: Der zwölfte Kämpfer war kein anderer als jener grausame Ritter, der ihren Freund Levent hier in der Burg gefangen hielt – Alpais von Greifenfels!
    Alpais gab sich keine Mühe, seine Verachtung fürs gemeine Volk zu verbergen. Ohne die Zuschauer auch nur eines Blickes zu würdigen, jagte er seinen riesenhaften Schimmel an der Gegentribüne vorbei zur Ehrenloge, wo er länger als alle

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