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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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Turnier würde kurz nach Mittag fortgesetzt – den letzten sechs Rittern blieb also nicht viel Zeit um sich zu erholen.

21
     
     
     
    Auf den Wiesen rund um die Arena herrschte reges Treiben. Zuschauer standen in Gruppen beieinander und fachsimpelten über den bisherigen Verlauf des Turniers. Diener des Fürsten liefen umher und reichten Erfrischungen und kleine Köstlichkeiten dar – süßen Met aus Tonkrügen, gebratene Äpfel sowie Nüsse, Trauben und getrocknete Früchte auf silbernen Tabletts. Auch die Freunde bedienten sich und schlenderten zum Rand der leicht ansteigenden Wiese, von wo sie den besten Überblick hatten. Nelson hielt Ausschau nach Judith und Schwester Clothilde, konnte sie jedoch nirgendwo entdecken.
    Stattdessen erspähte er plötzlich Alpais von Greifenfels, der inmitten seiner Gefährten am Rande des Zeltlagers stand, halb verdeckt durch eine Gruppe von Bäumen. Er hatte seine Rüstung abgelegt und gegen ein dunkles Wams getauscht, auf dem das Schlangenkreuz prangte. Gerade deutete er hinüber zur Burg. Seine Gesten wirkten herrisch, sein Ausdruck entschlossen. Auf Nelson machte er nicht den Eindruck eines gedemütigten Kriegers.
    Die Gruppe setzte sich in Marsch, geradewegs auf die Burg zu. Nelson stieß Luk an und deutete hinüber. »Wüsste zu gern, was der wieder ausheckt«, flüsterte er.
    »Wir könnten uns ein wenig die Beine vertreten«, schlug sein Freund vor. »Und wenn wir uns beeilen… «
    Sie mischten sich unters Volk und liefen quer über die Wiese um den Weg zur Burg abzukürzen. Doch sie kamen nicht weit. Plötzlich hörten sie hinter sich eine nasale Stimme, die nichts Gutes verhieß. »Bruder Gawein, Bruder Edward! Nicht so eilig. Hier ist jemand, der euch liebend gern begrüßen würde.«
    Als sie sich umdrehten, stand Bruder Hitzblitz vor ihnen. Er war nicht allein. Ein groß gewachsener Mönch unbestimmten Alters blickte die Freunde neugierig an. Er trug wie sie eine braune Kutte, die eine einfache Kordel zusammenhielt. Seine Füße waren nackt. Ein Franziskaner, ohne Zweifel. Aber nicht irgendeiner. Vor ihnen stand kein Geringerer als Alexander von Hales, Vertrauter Franz’ von Assisi und einer der bedeutendsten Theologen seiner Zeit.
    »Bruder… äh… Alexander«, stieß Nelson hervor. »Wie schön, dich… äh… hier zu treffen.« Seine Stimme klang heiser. In seinem Hals steckte ein Kloß von der Größe einer Pampelmuse.
    Sein Gegenüber maß ihn vom Kopf bis zu den Füßen, wobei er die Augen zusammenkniff, als müsste er eine allzu klein geratene Schrift entziffern. »Vielleicht ist es das Alter«, sagte er mit sonorer Stimme, »aber ich kann mich nicht erinnern, dir jemals zuvor begegnet zu sein.«
    In den Augen Notkers blitzte es gefährlich. Er blickte Luk und Nelson herausfordernd an, als wollte er sagen: Ich hab’s doch gewusst!
    »Master Alexander!« Luk trat plötzlich vor und griff nach dem Arm des Fremden wie nach dem eines Freundes. »Ist dies eines jener Rätsel, die Ihr euch auszudenken nicht müde werdet? Verzeiht meinen kühnen Widerspruch, aber ich glaube nicht, dass Euer Alter Eurem Gedächtnis jemals enteilen könnte.«
    Alexander wirkte mit einem Mal belustigt. »Soso, mein junger Bruder scheint mich demnach besser zu kennen als ich mich selbst. Wann, sagtet ihr, sind wir uns das letzte Mal begegnet?«
    Luk setzte alles auf eine Karte. »Ihr fragt nach unserer letzten Begegnung? Das Datum ist Euch wohl bekannt. Es war der dritte Oktober zwölfhundertsechsundzwanzig Anno Domini, jener Tag, an dem das hellste Licht erlosch und unsere Herzen in tiefer Dunkelheit zurückließ.«
    Alexander von Hales senkte das Haupt für einen Augenblick des stillen Gedenkens. Dann sah er wieder auf und fixierte Luk mit durchdringendem Blick. »Mag sein, dass mein Schmerz meine Sinne trübte an jenem Tag, da unser aller Lehrer von uns schied«, entgegnete er. »Doch wir waren nur wenige, die Bruder Franziskus auf seiner letzten Reise Beistand gewähren durften. Und ihr wart ganz sicher nicht dabei.«
    Nelson schluckte, aber Luk ließ sich nicht beirren. »Wir waren nicht physisch bei ihm in der Stunde seines Todes, aber stets in seiner Nähe, unter all jenen, die rund um die Kirche Porteuncula für unseren Vater gebetet haben. Ihr selbst habt uns die Todesnachricht überbracht und die letzten Worte des Herolds der Wahrheit verkündet, erinnert Ihr Euch?«
    Alexanders Züge entspannten sich. »Vor der Kirche Porteuncula saßen viele und zweifelsohne habe ich

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