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1228 - Clio, die Spielzeugmacherin

Titel: 1228 - Clio, die Spielzeugmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Geschenk", tönte es ihm aus dem Rachen der Schlange entgegen.
    Norb Ertse U Fert blickte ratlos in die kalten Augen.
    „Ein Geschenk? Ich weiß nicht, was ich euch schenken soll. Ich habe nichts."
    Er blickte an sich herunter. Er trug Hosen und Stiefel aus einem lederähnlichen Material, eine blaue Bluse aus einem seidigen Stoff, und eine federleichte Weste, die mit allerlei Taschen versehen war. Doch alle Taschen waren leer. Er hatte buchstäblich nichts - abgesehen von einem Reif aus glitzernden Edelsteinen am Arm. Diesen aber hatte er als Geschenk für Clio vom Purpurnen Wasser vorgesehen. Was sollte er tun? Er konnte doch nicht mit leeren Händen vor die Spielzeugmacherin hintreten.
    Er ließ sich in die Hocke sinken, da er meinte, daß seine Beine ihn nicht mehr tragen konnten. An Flucht war ohnehin nicht zu denken. Er konnte das Ufer niemals vor der Schlange erreichen.
    „Ich weiß wirklich nicht, was ich dir geben könnte", sagte er verzweifelt.
    „Du könntest uns deine Erinnerungen geben."
    „Meine Erinnerungen?" erwiderte er verblüfft. „Wie könnte ich das?"
    „Das laß nur unsere Sorge sein. Was wir benötigen, ist deine Bereitschaft, dich von deinen Erinnerungen zu trennen."
    „Aber dann bin ich nicht mehr ich selbst."
    „Manch einer würde sich glücklich schätzen, wenn er vergessen dürfte."
    „Aber ich will nicht alles vergessen", rief Norb Ertse U Fert. „Versteht ihr nicht? Ich bin hier, weil ich Schutz suche vor dem Tiefeneinfluß."
    „Überlege es dir."
    Der Besucher blickte sehnsüchtig zur Wasserburg hinüber. So nah war er Clio vom Purpurnen Wasser gekommen. Sollte er nun auf den letzten Metern scheitern? Er hatte viele Gefahren überwunden. Seine Schußwaffe hatte er bei einem Handel mit geflügelten Echsen gegen das Recht eingetauscht, eine Brücke über einen Strom überqueren zu dürfen.
    „Du kommst in ein friedfertiges Land", hatten die Echsen gesagt, welche die Brücke bewachten. „In Vanhirdekin brauchst du keine Waffe. Niemand wird dich dort bedrohen."
    Sie waren mit der Wahrheit recht freizügig umgegangen.
    „Was passiert, wenn ich euch meine Erinnerung nicht gebe?"
    Die Schlange zeigte ihm die Zähne. Gift tropfte daraus hervor.
    „Das war deutlich", seufzte Norb Ertse U Fert. „Ihr laßt mir also keine Wahl."
    Der Vogel stieg flatternd auf. Rüttelnd verharrte er über dem Besucher. Sein Gesang klang wie Hohn.
    „Was wollt ihr mit meiner Erinnerung?" rief Norb Ertse U Fert „Was könnt ihr denn schon damit anfangen?"
    „Was gibt es Schöneres als die Erinnerung eines anderen?" erwiderte die Schlange zischelnd. „Wir werden teilhaben an deinem Leben, an den guten und an den schlechten Taten, an deiner Freude und deiner Trauer. Wir werden eintauchen in deine Seele. Wir werden dich besser kennen lernen, als du dich selbst kennst, und vielleicht werden wir richten, wenn du hintrittst vor Clio vom Purpurnen Wasser."
    „Ich habe nichts zu verbergen."
    „Um so besser."
    Die Schlange schien zufrieden mit seiner Antwort zu sein, der Vogel aber schien zu lachen, schrill und höhnisch.
    „Du wärst deine Seele reinigen", zischte das Reptil. „Danach wirst du dich fühlen wie ein Neugeborener."
    „Was bleibt mir dann noch? Werde ich mein Leben neu beginnen?"
    „Nicht ganz. Einen Teil deiner Erinnerungen werden wir dir lassen."
    Norb Ertse U Fert senkte den Kopf. Er fühlte sich verloren und so einsam wie noch nie zuvor in seinem Leben. Was die beiden Wesen von ihm forderten, war ungeheuerlich. Er fand, daß niemand das Recht hatte, Derartiges zu verlangen. Doch was sollte er tun? Er saß in der Falle, und im Grunde genommen hätten die beiden ihm die Erinnerung auch stehlen können.
    Er blickte auf.
    „Warum nehmt ihr euch nicht einfach, was ihr haben wollt?" erkundigte er sich. „Was seid ihr denn anderes als Wegelagerer?"
    „Du kannst uns eine Erinnerung nur schenken", erklärte die Schlange. „Es ist wie mit der Liebe. Auch sie wird immer ein Geschenk bleiben. Niemand kann sie sich mit Gewalt holen."
    „Dann bin ich also nicht der erste, dem ihr den Weg versperrt habt?"
    „Natürlich nicht."
    „Wie haben sich die anderen entschieden?"
    „Die einen so, die anderen so. Manche sind lieber gestorben, als sich uns in dieser Art und Weise zu offenbaren, wobei nicht sicher ist, daß sie es nach ihrem Tode nicht einem anderen gegenüber doch getan haben. Manche waren froh darüber, neu beginnen zu können."
    Norb Ertse U Fert kletterte über einige Steine näher

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