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123 - Auf dem Insektenthron

123 - Auf dem Insektenthron

Titel: 123 - Auf dem Insektenthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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erholt, aber die ungeheure Masse der Kerbtiere und Spinnen verhinderte das Aufkeimen jeder zarten Pflanze. Mangels pflanzlicher Nahrung waren die meisten von ihnen dazu übergegangen, sich von Fleisch oder Aas zu ernähren. Bot sich kein zufällig vorbeikommendes Opfer an, fielen sie eben übereinander her.
    Selbst eine Schlacht mit Hunderttausenden Opfern riss keine größere Lücke in dieses unüberschaubare Heer. Und minütlich kamen immer noch mehr Nachkommen dazu.
    Die kleine Menschenschar, die sich die schmale Schneise entlang bewegte, beobachtet von Milliarden hungriger Facettenaugen, war sich dessen sehr wohl bewusst. Auch wenn die mächtigen Soldaten nicht den Befehl erhalten hatten, die Eindringlinge zu töten – wer konnte garantieren, dass nicht eines der Krabbeltiere plötzlich durchdrehte angesichts so verlockender frischer Nahrung, angriff und dadurch eine Massenhysterie auslöste?
    Die Menschen hätten keine Chance.
    »Es kommt mir vor, als würden wir über einem Abgrund balancieren, in dessen Tiefe ein Vulkan brodelt«, sagte Farmer, die Hand an der Waffe.
    »Wir gehen ganz gelassen und beachten sie nicht«, erinnerte Matt zum wiederholten Male, wie ein Mantra. Zufällig sah er zu Shaw, griff ihn hastig am Arm und riss ihn zurück, bevor der den Schritt zu Ende führen konnte. Verwirrt sah der Pilot ihn an, und Matt deutete auf den Boden. Dort saß eine fette haarige Spinne, die gerade einen kleinen grünen Käfer einspann. Shaw wäre genau darauf getreten.
    »Verdammt«, stieß der einäugige Techno hervor. »Das war knapp.«
    »Nicht zu langsam werden!«, warnte Aruula. »Unser Zögern könnte ihren Jagdtrieb wecken.«
    Zügig gingen sie weiter, sorgsam darauf bedacht, keinen falschen Schritt zu tun.
    Aachen, das heutige Aarachne, bot ein Bild der Verwüstung.
    Matts Gefährten berührte das nicht besonders, denn sie waren fünfhundert Jahre nach ihm geboren. Doch er kannte es noch anders.
    Während seiner Stationierung in Berlin ab 2006 war Matthew Drax ein wenig in Deutschland herumgekommen und hatte auch das prächtige Oktogon im Aachener Münster besichtigt. Der goldene Schrein Karls des Großen, der schlicht anmutende, jedoch aus kostbarem Marmor gefertigte Kaiserthron von Otto I.; das alles hatte Matt vor Augen, als er mit Aruula und den anderen die Stadt betrat.
    Seit dem letzten Besuch vor vier Jahren hatte sich nicht viel verändert, höchstens waren ein paar Häuser mehr zusammengebrochen. Stahlskelette ragten verrostet und gekrümmt zwischen Trümmerteilen empor. Stellenweise standen noch völlig intakte Häuserwände, mit Türen und Fenstern darin. Auf den ersten Blick tröstlich – bis man um das Haus herum ging und feststellte, dass außer der Wand nichts mehr da war.
    Hin und wieder standen auch noch intakte Seitenteile zwischen gewaltigen, durcheinander gewürfelten Betonblöcken, mit Zwischengeschoss, ein paar Schränken und Sitzmöbeln oder sogar einem Bett, mit vergilbten, fleckigen Laken und Bettzeug, das wahrscheinlich bei der kleinsten Berührung zu Staub zerfiel.
    Dazwischen hatten Spinnen gewaltige Netze gesponnen, teilweise zu Stegen verdichtet, über die sich Insekten, vorwiegend Käfer, auf schnellstem und kürzestem Weg durch die Stadt bewegten.
    In einigen Netzen oder von Stegen herab hingen große, undurchsichtige Kokons, über deren Inhalt Matt lieber nicht nachdenken wollte.
    Die Wächter blieben draußen vor der Stadt; die Menschen konnten sich hier ungehindert bewegen. Die überall herum krabbelnden Insekten wichen ihnen aus, beachteten sie darüber hinaus aber nicht.
    »Äußerst ungemütlich hier«, brummte Farmer und hob unbehaglich die Schultern.
    »Man fühlt sich wie die Fliege im Netz«, stimmte Aruula zu. »Jetzt haben sie uns da, wo sie uns haben wollten.«
    Sie bewegten sich wachsam durch schmutzige, verwahrloste Straßen und Gassen, in denen hier und da noch verwaiste Laternen standen, für die es schon lange keine Elektrizität mehr gab.
    An Farben herrschte Grau vor, das in dunstigem Gelb versickerte. Es herrschte ein fahles Tageslicht, das nur müde, blasse Schatten warf. Und es war still. Manchmal pfiff ein schwacher Wind durch löchrige Vorhänge und die Ritzen brettervernagelter Eingänge und Fenster, und das Trappeln Tausender Insekten- und Spinnenbeine verstärkte die Stille eher noch. Es war ein bizarres Hintergrundgeräusch, das sich nicht nach Leben anhörte. Auch das leise Klicken und Schnalzen, Zirpen und Summen war ein geisterhafter

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