123 - Piraten aus dem Jenseits
werden viele schöne Stunden zusammen verbringen… Das heißt, wenn Sie das wollen.«
Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Natürlich möchte ich das, John.«
Ein angenehmer Schauer durchrieselte ihn. Sie hatte ihn zum erstenmal mit seinem Vornamen angesprochen.
Er schob die kleine Glasschüssel mit gesalzenen Mandeln beiseite, die auf dem Tresen stand.
»Ich… habe Ihnen nicht alles über mich erzählt, Pamela.«
»Wir haben noch so viel Zeit.«
»Sie wollten wissen, warum ich Schiffsarzt wurde, und ich habe Ihnen die Hälfte der Wahrheit erzählt. Ich bin wirklich ein Zigeuner, der so viel wie möglich von der Welt sehen möchte. Aber das gab nicht den Ausschlag. Der Grund, warum ich mich um diesen Job bewarb, war ein anderer.«
»Sie brauchen nicht darüber zu reden, wenn es Ihnen unangenehm ist, John«, sagte die Sängerin.
»Ich möchte, daß Sie alles wissen. Ich war an der Universitätsklinik in Birmingham tätig. Man unterschob mir dort einen Kunstfehler, den in Wirklichkeit ein Kollege verschuldet hatte.«
»Haben Sie sich gegen diese Anschuldigung denn nicht gewehrt?«
»Doch, aber ich konnte sie nicht entkräften, denn mir fehlten die Beweise. Es stand Aussage gegen Aussage, und der andere hatte die besseren Freunde in der Klinik. Der Patient wäre beinahe gestorben. Man brachte ihn glücklicherweise durch, sah von einer Anzeige ab, legte mir aber nahe, das Krankenhaus zu verlassen. Tja, und so kam ich auf die ›Glory Day‹. Im Nachhinein möchte ich sagen, daß ich diesen Schritt nicht bereut habe, und seit Sie hier sind, möchte ich nirgendwo anders mehr arbeiten.«
»Ich glaube, Sie sollten sich mir in kleinen Dosen verordnen, Doktor«, sagte Pamela lächelnd. »Sie sind eine sehr gute Medizin für mich. Es besteht allerdings die Gefahr, daß ich nach Ihnen süchtig werde.«
Er strahlte glücklich. »Wenn’s weiter nichts ist. Ich werde Sie von dieser Sucht bestimmt nicht befreien, denn ich möchte uns beiden die schmerzlichen Entzugserscheinungen nicht antun,«
Er beugte sich vor und küßte sie sanft. Der Barmixer grinste breit, doch sie beachteten ihn nicht.
»Ich liebe dich, Pamela«, sagte John Law.
»Ich liebe dich auch«, erwiderte das Mädchen.
Und der Luxusdampfer stampfte auf die Katastrophe zu…
***
Der Mann neben mir stöhnte. Ein Peitschenschlag hatte ihn getroffen. Der Schmerz zwang ihn, sich aufzubäumen, und er ruderte sofort mit der ganzen Kraft, die ihm noch zur Verfügung stand.
»Tempo!« brüllte der Aufseher. »Schneller! Schlaft nicht ein, ihr faulen Schweine!«
Der Fleischberg trommelte einen mörderischen Takt, der selbst mir, dem Neuen, beinahe zu schnell war. Ich glaubte den Grund für diese Eile zu kennen.
Die Geistergaleere sollte in den Kurs des Vergnügungsdampfers schneiden. Über das Deck schallten die Befehle des Kapitäns. Er schickte die Geisterpiraten auf ihre Posten.
Vermutlich nahmen auch Cosmo Canalito und seine Freunde ihre Plätze ein, bereiteten sich aufs Entern vor. Szenen aus alten Piratenfilmen kamen mir in den Sinn.
Männer mit Dolchen zwischen den Zähnen, mit Säbeln, Äxten, Knüppeln bewaffnet, standen sie an der Reling und warteten gespannt auf den Augenblick des Angriffs.
Bestimmt blieb Pan Allac nicht auf seinem Schiff. Er würde seine mordlüsterne Meute anführen.
Keine Zeugen!
Es würde mehr als fünfhundert Tote geben, umgebracht von diesen Teufeln, die schon lange keine Existenzberechtigung mehr hatten. Vermutlich hatte Pan Allac mit Asmodis paktiert und für sich und seine Mannschaft ewiges Leben ausgehandelt. Ein Leben, das die Gesetze des Bösen hochhielt und sie niemals verletzte.
Wieder hörte ich die Peitsche pfeifen, und ich wußte, daß sie mich treffen würde. Ich preßte die Kiefer zusammen und wünschte mir, nicht an dieses Ruder gekettet zu sein.
Ich hätte nicht gezögert, den kräftigen Aufseher anzugreifen, Ich hätte ihm die Peitsche entrissen und… Es war ein Wunschtraum, der sich nicht erfüllen konnte, denn es war mir unmöglich, die Kette zu sprengen.
»Schneller, ihr lahmen Säcke!« brüllte der Aufseher. »Wollt ihr wohl schneller rudern?«
Wir legten uns kraftvoll ins Zeug und brachten das Geisterschiff dorthin, wo Pan Allac es haben wollte.
***
»Nun«, sagte Pan Allac und schob einen Dolch in seinen Gürtel. »Hast du dich entschieden, Yora?«
»Terence Pasquanell und ich machen mit«, antwortete die Dämonin.
Der Geisterkapitän nickte zufrieden. »Da ich in diesen Dingen mehr
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