1230 - Der Traumdieb
ist, sich ein Netz zu schaffen. Dass er überall in London Leute sitzen hat, ob Frauen oder Männer, die unter seiner Kontrolle stehen und die er bei Bedarf abrufen kann.« Sie schüttelte den Kopf. »Ist das nicht ein makabres Szenario?«
»Ich kann dir leider nicht widersprechen.«
»Er will die Macht!«, flüsterte Sheila. »Nicht die Macht des Geldes. Nein, er will die Macht über die Menschen bekommen. Dafür ist er ausgebildet worden. Aber er ist schon weiter, Bill, denn er hat diese Macht auch bekommen, und das macht mir Angst. Er muss einfach gestoppt werden.«
Der Reporter nickte. Johns Anruf hatte ihn etwas gelähmt.
Seine Nerven waren angespannt. Sie saßen hier im Haus, und es war möglich, dass irgendwo jemand hockte und ihnen einen Killer schickte. Einen Menschen, der vielleicht gar nicht wusste, was er tat, der nur reagierte wie eine Maschine, die eingestellt worden war.
Er wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Auf dem Monitor war noch immer die Gestalt des Dr. Barnabas Barker zu sehen.
Bill hatte das Gefühl, dass von dessen glattem Gesicht ein tödliches Versprechen ausging, und er spürte schon die Gänsehaut.
»Ich könnte ihn anrufen«, sagte er plötzlich. »Oder ihm eine E-Mail schicken.«
»Wird das etwas nutzen? Um diese Zeit, Bill?«
»Ich denke nicht, dass sich Barker in dieser Nacht hingelegt hat. Er wird sehr aufmerksam sein.«
»Was bezwecken wir mit einer Nachricht?«
»Zumindest weiß er dann, dass wir ihn im Visier haben.«
»Das ist nicht gut, Bill. Ich bin der Meinung, dass er nicht erfahren soll, wie nahe wir ihm bereits sind.«
»Hör auf, das weiß er längst.« Bill lehnte sich wieder zurück und legte seine Hände im Nacken zusammen. »Du hast ja Recht. Mich macht es nur nervös, wenn ich hier herumsitze und nicht schlafen kann, weil mein Kopf voller Gedanken ist.«
»Die Alarmanlage ist eingeschaltet.«
»Beruhigt dich das?«
»Etwas.«
»Wir sollten auch Johnny einweihen, wenn er wach ist«, meinte Bill.
»Dagegen habe ich nichts. Aber ob er bereit sein wird, sich länger hier im Haus aufzuhalten, weiß ich auch nicht. Johnny hat seine Termine, und ich meine, dass wir unser Leben so normal wie möglich weiterführen sollten, wenn auch mit geringen Einschränkungen.«
»Gute Idee. Aber…« Es war das Telefon, das sie störte.
»Wieder John?«
»Abwarten.« Bill hob den Hörer ab. Dabei sah er, dass Sheila eine Gänsehaut bekommen hatte. »Ja…« Das leise Lachen war einfach da. Es klang so kalt und abgebrüht. Bill umklammerte den Hörer härter. Er schaute unwillkürlich auf den Monitor und hatte das Gefühl, als dränge das Lachen direkt aus dem Mund des kalt lächelnden Psychologen.
Er riss sich zusammen. »Bitte, was soll das um diese Zeit?«
»Es ist euer Pech. Ihr hättet euch nicht einmischen sollen. Deshalb steht ihr auf meiner Liste.«
Mehr sagte der Anrufer nicht. Er unterbrach die Verbindung.
Bill legte den Hörer ebenfalls zurück und hörte Sheilas flüsternde Stimme: »War er das?«
»Keine Ahnung. Er hat sich nicht mit seinem Namen geme ldet.« Bill schaute wieder auf den Bildschirm. »Aber ich gehe mal davon aus, dass er es gewesen ist.«
»Und was wollte er?«
»Uns drohen. Er hat uns erklärt, dass wir auf seiner Liste stehen. Mehr wurde nicht gesagt.«
Sheila schluckte. Dann fragte sie leise: »Glaubst du ihm?«
»Ja, Sheila. Nach allem, was mittlerweile vorgefallen ist, müssen wir das wohl…«
***
Über London graute der Tag, die Nacht war vorbei, und viele Menschen befanden sich wieder in Bewegung.
Auch ich erlebte den neuen Morgen, nachdem ich tatsächlich noch knapp zwei Stunden geschlafen hatte, aber von keinen Albträumen gequält worden war. Mich hatte auch kein Telefon gestört, doch als ich erwachte, galten meine ersten Gedanken den Vorgängen der Nacht. Ich hätte eigentlich schon unterwegs sein müssen, aber auf eine bestimmte Zeit und Pünktlichkeit kam es jetzt nicht an.
Shao und Suko schliefen sicherlich auch nicht mehr, doch nach dem Duschen galt der erste Anruf den Conollys.
Bill war sehr schnell am Apparat. »Du nimmst mir den Anruf vorweg. Ich hatte schon fast den Hörer in der Hand.«
»Gibt es was Neues bei euch?«
»Ja, wir wurden angerufen, und das noch in der Nacht.«
»Von wem?«
»Ein Name wurde nicht genannt, aber wir gehen davon aus, dass es Barker gewesen ist. Er erklärte uns, dass wir auf seiner Liste stünden, weil wir uns eingemischt haben.«
»Verdammt. Genau das habe ich
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