1239 - Bilderbuch des Schreckens
deutlich gespürt. Ähnliches erlebte er auch, wenn er von seiner Mutter in den Arm genommen wurde.
Als wäre das Skelett mit ihm verwandt…
Komisch, dass ihn dieser Gedanke nicht erschreckte. Jeder andere hätte ihn weit von sich gewiesen, nicht aber Tommy Olden. Er konnte sich damit anfreunden.
Tommy drehte sich um. In der Dunkelheit fühlte er sich nicht mehr wohl, und deshalb knipste er wieder seine kleine Taschenlampe an. Der helle Strahl beruhigte ihn etwas, auch wenn er sich wunderte, dass in der Wand nichts mehr zu sehen war.
Keine Bücher. Kein Skelett. Nur noch der normale unebene Stein zeichnete sich ab.
»Aber geträumt habe ich es nicht«, flüsterte Tommy vor sich hin und drehte sich um. Immer dem Lichtstrahl folgend, ging er auf die Treppe zu, die ihn wieder zurück in das Gartenhaus und damit hinein in die Oberwelt brachte.
Aber auch hinein in die Einsamkeit, die dort lauerte. Das Skelett hatte ihm etwas Bestimmtes versprochen, aber Tommy wusste nicht, ob es sich nur um einen Scherz gehandelt hatte.
Er öffnete die Tür des Gartenhauses und schaute in die Dunkelheit. Ein leichter Dunst schwebte in der Luft und hatte sich auch zwischen den Schattengestalten der Bäume festgesetzt. Im Haus brannte Licht. Verschiedene Fenster waren erhellt, auch in der ersten Etage, wo sich seine Mutter aufhielt. Sie würde bestimmt noch nicht zu Bett gegangen sein. Der Junge kannte das genau. Sie war jemand, der sich immer Sorgen machte.
Tommy fand es schade, dass er über die Erlebnisse nicht mit ihr sprechen durfte. Deshalb hoffte er, dass es sich irgendwann ändern würde. Wenn sein knochiger Freund schon nicht von selbst damit anfing, wollte er ihn wenigstens danach fragen.
Vielleicht schon beim morgigen Besuch.
Sie wohnten einsam, jedoch nicht zu einsam. Vor dem Haus führte in knapp 50 Metern eine Straße vorbei. Eine Zufahrt gab es auch, aber sie war mehr ein Trampelpfad, der zum Haus führte. Bis zum nächsten Dorf waren es knapp zwei Kilometer, und Tommy hatte seine Mutter schon öfter gefragt, ob sie nicht ausziehen sollten, um dort zu wohnen, wo Menschen in der Nähe waren.
Sie hatte sich immer dagegen gesträubt. Tommy hatte nicht locker gelassen, aber seine Mutter hatte ihm den Grund nie nennen wollen. Sie schien mit dem Haus verwachsen zu sein oder musste daran eine starke Erinnerung haben.
Es war ihm gleichgültig. Heute nicht, nicht in dieser Nacht wollte er die Fragen stellen. Morgen war auch noch ein Tag.
Nach diesem Gedanken dachte er wieder an etwas anderes.
Das Skelett hatte ihm etwas versprochen. Es hatte vier Namen genannt, und Tommy wusste genau, dass das Skelett sein Versprechen auch halten würde. Ihm sollte die Einsamkeit vertrieben werden. Aber Tommy hatte sich nicht einsam gefühlt. Niemals. Er war sich immer selbst genug gewesen, und das wollte er auch in der Zukunft so halten.
Trotzdem, auf die Figuren aus dem Bilderbuch war er gespannt, und er fragte sich, ob sie gut oder böse waren. Egal was, er würde alles akzeptieren…
***
Man kann es sich im Leben nicht immer aussuchen. Da machten auch Suko und ich keine Ausnahme, denn mit des Geschickes Mächten ist wirklich kein Bund zu flechten.
Von der Insel waren wir gut weggekommen, aber die Sache mit dem Leihwagen dauerte seine Zeit. Wir hatten vergessen, wo wir uns befanden. In Thurso gab es keine Filialen der großen Leihwagenfirmen. Der Wagen, den wir auf der Hinfahrt benutzt hatten, war abgeholt worden, worauf wir gar nicht geachtet hatten.
Ein Auto brauchten wir, und so gingen wir zu einem Gebrauchtwagenhändler, der uns natürlich ein Vehikel verkaufen wollte. Nach einigem Hin und Her und auch nachdem er wusste, mit wem er es zu tun hatte, überließ er uns ein Fahrzeug leihweise, sodass wir wenigstens bis Aberdeen kamen.
Die Summe, die er dafür kassierte, war auch zudem recht beträchtlich. Aber was sollten wir machen? Wir befanden uns in der schlechteren Position.
Wir bekamen einen älteren Jeep. Motormäßig in Ordnung, wie man uns versicherte, die Reifen waren es auch, und der Händler war der Meinung, dass wir damit eine halbe Ewigkeit fahren konnten. Darauf ankommen lassen wollten wir es nicht.
Es reichte schon aus, wenn wir bis Aberdeen kamen.
Die A 895 führt in Richtung Süden und mündet später auf die A 9, die bis in die Nähe von Inverness führt. Von dort aus war es nicht mehr zu weit bis Aberdeen.
Wir hatten uns vorgenommen, die Strecke an einem Tag zu schaffen. Das allerdings war normal nicht
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