124 - Die Königin der Nacht
Handrücken wurde feucht. Sie wischte ihn sich an den Blättern eines Strauches ab. Das Blatt wurde rot.
Dann erreichte sie den Bungalow. Auf der Veranda standen drei Gestalten. Sue registrierte wie nebenbei, daß es sich um Frank Adams, seine Schwester Margot und um Sangri Ashyan handelte. Von Ashyan wußte sie nur, daß er irgendein Beamter der Regierung war, der Byron die Erlaubnis zur Erforschung der Kulturstätten von Kantilyabhad beschafft hatte.
„Sue, was ist denn mit dir los?" fragte Margot erschrocken. „Byron ist ganz aus dem Häuschen." „Ich werde dir alles erzählen, Margot", sagte Sue kokett. „Es war wunderbar. Wie ein Traum." „Deinem Aussehen nach zu schließen, würde ich eher das Gegenteil annehmen, nämlich daß du einen Alptraum erlebt hast", sagte Margot Adams. „Du bist so blaß, als hättest du keinen Tropfen Blut in den Adern. Moment mal!"
Die letzten Worte kamen wie aus der Pistole geschossen. Margot machte eine schnelle Bewegung und drehte Sues Kopf herum, so daß sie ihre Halswunde sehen konnte.
Sue, die sich entlarvt fühlte, gab einen kehligen Laut von sich und bleckte die Zähne. In diesem Augenblick der größten Gefahr wußte sie, was sie zu tun hatte. Die Erkenntnis kam blitzartig, nämlich daß sie von Asparase die Gabe erhalten hatte, mit anderen dasselbe zu machen, was ihr widerfahren war.
Sue war drauf und dran, ihre Eckzähne in Margots Halsschlagader zu schlagen und sich dann auch noch Frank und Sangri vorzunehmen.
Da rief Margot aus:
„Bei Luguri, mach keine Dummheiten, Mädchen!"
Sie entwand sich Sue lachend; und auch Sangri und Frank lachten, während sie sie an den Armen packten und hinter das Haus führten.
„Da!"
Margot drückte Sues Kopf gewaltsam nach unten, so daß sie zu Boden blicken mußte. Dort lagen drei Körper. Sie hatten auf der linken Brustseite klaffende Wunden - und besaßen die Gesichter von Margot, Frank und Sangri.
„Jetzt blicke uns an!"
Sues Kopf wurde brutal herumgedreht. Sie blickte in drei behaarte Gesichter mit rotglühenden Augen und Raubtiergebissen. Alle drei lachten hämisch über den gelungenen Scherz.
„Ein Glück, daß du dich rechtzeitig zu erkennen gegeben hast, sonst hätten wir dir dieselbe Herzmassage besorgt. Und das wäre uns nicht gut bekommen."
Sue wurde wieder in Richtung des Hauses gedrängt. „Da! Binde dir das Tuch um! Sonst verrätst du dich noch."
Jemand band ihr ein Halstuch um.
„Wir wissen schon, daß Asparase dir eine besondere Aufgabe zugedacht hat", sagte eines der drei haarigen Geschöpfe, das nun wieder Margots Aussehen angenommen hatte. „Aber deine Mission wird sich erübrigen. Wir sind nur die Vorhut. Die anderen sammeln sich im Wald. Noch dürfen wir nicht ins Haus, weil diese abtrünnige Hexe uns entlarven würde. Aber schon bald sind wir genug, um zuschlagen zu können."
„Los, geh ins Haus, bevor man mißtrauisch wird!" sagte das Geschöpf, das Sangri Ashyans Aussehen angenommen hatte. „Asparase wird dir schon gesagt haben, was du zu tun hast."
Die drei blieben zurück, als Sue das Haus betrat. Sie sah sich plötzlich von vielen bekannten Gesichtern umgeben.
„Sue, Schatz, ich dachte schon, du würdest überhaupt nicht mehr kommen."
Esteban Martinez belegte sie sofort mit Beschlag und führte sie von den anderen fort.
„Ich wußte gar nicht, daß du heute eine Party gibst", sagte Sue und drängte Esteban in eine bestimmte Richtung.
Sie hatte entdeckt, daß in einem Nebenraum ihr Mann und seine neugewonnenen Freunde die Köpfe zusammensteckten. Byron war so beschäftigt, daß er ihr nur kurz zuwinkte. Dafür warf ihr diese schwarzhaarige Hexe Coco einen bedeutungsvollen Blick zu. Sue war es, als würden ihr ihre Augen bis in die tiefste Seele dringen.
Sue lachte bei dem Gedanken. Sie hatte gar keine Seele mehr. Asparase hatte sie ihr aus dem Körper gesogen.
„Warum lachst du?" fragte Esteban irritiert. „Willst du dich schon wieder über die Folgen meiner Malaria lustig machen?"
„Nein, Esteban", versicherte Sue treuherzig. „Glaube mir, du bist auf einmal für mich wieder begehrenswert geworden. Ich finde dich ehrlich aufregend und sexy."
Bei diesen Worten fuhr sie ihm mit den Fingerspitzen über die Halsschlagader und erschauderte wohlig. Während sie mit Esteban kokettierte, lauschte sie jedoch dem Gespräch, das die vier Verschwörer im Nebenzimmer führten. Sie sprachen über Strategie und Taktik. Ihr langweiliger Byron schlug allen Ernstes vor, daß man
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