1241 - Der Mördermönch von Keitum
ihnen gestanden.
Jetzt nicht mehr.
Silke war an meine Seite getreten. Als ich nicht mehr weiterging, blieb auch sie stehen. Nickend deutete sie nach vorn. »Es war sein Platz. Hier hat er gestanden oder gehockt. Man war sich da nicht so sicher, weil er nicht eben klein war.«
»Aber er bestand aus Stein - oder?«
»Ja, natürlich. Nur aus Stein. Ein wirkliches Kunstwerk. Toll modelliert.« Sie gab ein leises Lachen von sich. »Aber auch so gemacht, dass die Menschen Angst vor ihm bekommen konnten. Er strahlte immer etwas Düsteres und Unheimliches ab. Selbst beim herrlichsten Sonnenschein ist das so gewesen. Diese Ecke hier blieb immer kalt, wenn Sie verstehen, was ich damit meine.«
»Sicher. Es ging um seine Aura.«
»Genau. Mit seinem Anblick konnte man kleinen Kindern Angst machen. Aber nicht nur Kindern.« Sie hob schaudernd die Schultern an. »Wenn ich mir vorstelle, was jetzt mit ihm passiert ist oder was mit ihm passiert sein könnte, dann möchte ich am liebsten wegrennen. Fantasie kann manchmal schlimm sein. Aber die Realität auch«, fügte sie noch hinzu.
Ich kümmerte mich nicht mehr um Silke, sondern ging dorthin, wo der steinerne Mönch gestanden hatte. Was ich genau suchte, wusste ich auch nicht. Da er aus Stein bestand, rechnete ich zumindest damit, dass sich im Gras noch Abdrücke finden ließen. Es war nicht besonders hell in dieser Umgebung, und so musste ich mich bücken, um den Boden genau beobachten zu können.
Nein, da war nichts.
Ich drehte mich wieder zu Silke von Weser um. »Wir haben wohl Pech gehabt. Nichts deutet darauf hin, dass der Mönch genau an dieser Stelle gestanden haben könnte.«
»Aber er hat sich sicherlich nicht in Luft aufgelöst.«
»Das meine ich auch«, erwiderte ich und drehte meinen Kopf dem Friesenhaus zu. »Sie wissen nicht, wem das Haus gehört, Silke?«
»Nein, tut mir Leid. Ich bin zwar über vieles informiert, was hier auf der Insel läuft, aber bei diesem Besitzverhältnis bin ich einfach überfragt.«
So schnell gab ich nicht auf und erkundigte mich, ob es vielleicht Gerüchte gab.
»Auch nicht. Zumindest keine, die mir bekannt sind. Man munkelt, dass das Haus von einem Typen aus der Medienbranche gekauft worden ist, aber einen Namen kenne ich auch nicht. Ich habe auch noch nie einen Menschen hier im Garten gesehen und weiß auch nicht, ob er gepflegt wird. Sieht allerdings so aus.«
»Dann waren Sie auch noch nicht im Haus - oder?«
»Nein, das war ich nicht. Es gab keinen Grund für mich, es zu untersuchen. Aber jetzt liegen die Dinge wohl anders, wenn ich Ihre Blicke richtig deute.«
»Stimmt. Ich würde mir das Haus gern mal von innen anschauen.«
»Glauben Sie, dass sie ihn dort finden werden?«
»Rechnen muss man mit allem.« Silke von Weser schwieg.
Ihr war nicht eben wohl zu Mute, das sah ich ihr deutlich an.
Sie schien zu überlegen, ob sie bleiben oder weggehen sollte, aber sie blieb und schaute mir dabei zu, wie ich meine Schritte in Richtung Haustür lenkte.
Vor der Tür blieb ich stehen. Okay, es war eine Haustür, aber nicht irgendeine. Man konnte sie als eine Friesentür bezeichnen, die mit wunderbaren Schnitzarbeiten verziert war. Die Doppeltür hatte in den beiden oberen Hälften zwei Fenster, die keine echten waren, aber so aussahen. Man hatte das Holz eingekerbt und zwei Fenster geschnitzt, die gebogene Sprossen aufwiesen. Die Rahmen waren ebenso in einem dunklen Blau gestrichen wie das Tor am Beginn des Grundstücks.
Die Klinke hatte weder Rost noch eine sonstige Patina angesetzt. Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie oft bewegt worden war, und genau das tat ich jetzt auch.
Wie überall auf der Insel öffneten sich die Türen nur nach außen hin. Daran hatte ich mich schnell gewöhnt, aber ich war trotzdem überrascht, dass diese Tür hier nicht verschlossen war.
Die Klinke hielt ich noch fest, als ich mich zu Silke von Weser hin umdrehte. »Sind die Häuser hier in Keitum immer offen?«
»Nein, nein. Oder auch doch. Früher war es jedenfalls so. Aber heute ist das selten.« Sie war etwas durcheinander, weil sie auch nicht damit gerechnet hatte, dass es so einfach war, das Haus zu betreten. Ich hatte mich noch nicht getraut, über die Schwelle zu treten, zog die Tür allerdings weiter auf und warf einen Blick in das Innere.
Es gab einen Flur oder einen kurzen Gang. Ich sah die Umrisse verschiedener Türen, und dort wo der schmale Flur endete, stand eine Tür offen. Schwach malten sich die Umrisse verschiedener
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