1248 - Der Gladiator
Tor geöffnet.«
»Und warum sagst du das gerade mir?«, hatte sie gefragt.
»Ich kenne dich. Und ich habe Ohren. Ich höre mich um. Ich weiß, dass du Dinge kennst, die anderen verborgen bleiben. Du kennst dich aus. Du blickst hinter die Dinge, und ich weiß auch, dass du einen guten Draht zu den Bullen hast. Aber zuerst schau dir alles selbst an. Dann kannst du entscheiden, wie du reagieren willst.«
Jane hatte zugestimmt und war auch auf den Treffpunkt eingegangen. Ihre Neugierde war größer gewesen als die Furcht. Obwohl sie gern, da war sie ehrlich, ihrem Freund John Sinclair Bescheid gegeben hätte. Der aber trieb sich in Frankreich herum und war nicht greifbar. Also musste sie selbst den Schritt gehen. Lady Sarah, der Horror-Oma, hatte sie nichts von ihrem Vorhaben gesagt. Sie war mit einer Ausrede abgespeist worden. Mit einem Überwachungsjob, das akzeptierte sie am besten. Hättet sie etwas von dem gewusst, was Jane vorhatte, hätte sie Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie davon abzuhalten.
Bisher war Jane nichts passiert. Sie war auch keinem Menschen begegnet. Das hätte sie eigentlich froh machen müssen, aber das traf nun auch wieder nicht zu.
Wenn alles zu glatt lief, diese Erfahrung hatte Jane zumindest gemacht, kam das dicke Ende hinterher.
Die wilden Schreie wären nicht mehr zu hören. Es war ungewöhnlich still in der Umgebung geworden. Stimmen ja, aber keine Schreie. Und auch Stimmen, die keine eigene Modulation mehr besaßen. Sie waren irgendwie gleichgeschaltet worden.
Von Bailey war nach wie vor nichts zu sehen. Er war jetzt schon mehr als 20 Minuten überfällig, und das passte Jane überhaupt nicht. Allmählich festigte sich in ihr der Eindruck, dass er nicht mehr kam, sondern sie alleine ließ.
Auch Jane hätte jetzt verschwinden können. Doch das wollte sie nicht. Bisher war alles glatt gelaufen, und das sollte auch weiterhin so bleiben. Wenn eben möglich, wollte sie zumindest einen Hinweis bekommen auf das, was hier lief. Denn unter dem Fußboden brodelte es. Da tobte die Hölle. Jane hatte die Aufforderung zum Töten nicht vergessen.
In diesem alten Bau war es zugig. Es gab keine normalen Fenster mehr. Dafür mehrere Öffnungen an den Seiten, wo einmal die Fenster gewesen waren. Die hohe Decke schwamm wie ein düsterer Himmel über ihrem Kopf, sodass Jane sie schon als eine Bedrohung ansah, aus der sich irgendetwas lösen und auf sie herabstürzen konnte. Nicht grundlos hatte sie des Öfteren in die Höhe geschaut, doch bisher war nichts geschehen, und darüber war sie froh.
Eine leer geräumte große Halle mit einem Zugang in den unteren Bereich. Wo sich der befand, hatte Jane nicht herausgefunden. Er war vorhanden, mehr wusste sie jedoch nicht.
Die Halle stand in einem ehemaligen Industrieviertel. Am Ende des vorletzten oder Anfang des letzten Jahrhunderts gebaut, war sie damals ein Prachtbau des Jugendstils gewesen.
Sie hatte auch lange gehalten. Die Menschen hatten hier Maschinen hergestellt oder mit ihrer Hilfe Metall verarbeitet.
Genaues wusste Jane nicht. Es lag zu lange zurück. Die Hochzeiten des Eisens und der Kohle waren längst vorbei. Das nicht nur in Großbritannien, sondern auch in vielen Ländern Europas. Wozu die Halle später benutzt worden war, wusste sie auch nicht, aber sie hatte andere Funktionen erfüllt, das stand fest.
Und nun passierte hier etwas, was das Licht der Öffentlichkeit scheute und unter dem Hallenboden versteckt in einem großen Keller oder einem Gewölbe ablief.
Sie hatte ja damit gerechnet, dass noch irgendwelche Nachzügler eintreffen würden, doch auch das war nicht geschehen.
In den letzten Minuten war sie allein geblieben - und es kam noch etwas hinzu, das sie irritierte. Sie hatte keine Fahrzeuge auf dem Gelände gesehen. Entweder waren die Besucher zu Fuß gekommen oder hatten ihre Autos an einer anderen und weiter entfernten Stelle geparkt.
Das alles war schon sehr merkwürdig. So unheimlich und nicht zu fassen.
Da sie in der letzten Zeit die Schreie und Stimmen nicht mehr gehört hatte, war auch ihre Spannung etwas abgeflacht. Sie glaubte nicht mehr unbedingt an die Gefahr, die sie umschlossen hielt, und fühlte sich ein wenig freier.
Wenn sie zu lange stand, würde die Kälte immer mehr in ihren Körper kriechen, und das wollte sie auf keinen Fall.
Deshalb bewegte sich Jane auch und löste sich aus dem Schutz eines alten viereckigen Pfeilers, um nach einem Weg zu suchen, der sie in das unterirdische Zentrum
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