1249 - Bibliothek des Grauens
drehte er sich wieder um. »Du bist ein guter Mensch, John, aber nicht er, der Engel des Grauens…«
Er sprang.
Wieder überraschte mich der Junge, als er plötzlich aus dem Stand heraus in die Höhe jagte. Sein Ziel war dieser verfluchte Dämon, und ihm fuhr er an die Kehle.
Ich griff nicht ein, weil ich wusste, dass ich eigentlich hier nichts mehr verloren hatte.
Ein Kampf begann!
Wenn man so will, dann war es der uralte Kampf zwischen Gut und Böse. Nur diesmal auf einer anderen Ebene fortgesetzt und in einer anderen Zeit. So etwas erlebte ich regelmäßig, doch diesmal war ich nur Statist. Ich schaute ebenso zu wie Trenton, aber ich hatte das Kreuz plötzlich in der Hand.
Ich hatte gar nicht richtig mitbekommen, dass ich es aus meiner Tasche gezogen hatte.
Jetzt lag es offen - und es strahlte plötzlich!
An allen vier Seiten glitten die hellen Lichtlanzen in die Höhe. Angegeben von den vier Buchstaben, den Insignien der Erzengel. Sie stellten sich plötzlich auf die Seite des Jungen, der sich an der Kehle des Dämons festgekrallt hatte.
Und das Licht half!
Ich hörte Robby lachen, als er selbst zu einer Lichtgestalt wurde. Er fühlte sich wohl, und sein erneutes Lachen klang mir wie ein Klirren entgegen.
Zusammen mit dem Licht von meinem Kreuz gelang es ihm, die Gestalt des Böses zu vernichten.
Ich hatte schon zuvor den blauen Schimmer auf der Haut gesehen. Der nahm an Intensität zu. Er malte sich in dem hellen Kreuzlicht ab, aber er war nicht mehr resistent.
Er wurde von der anderen Kraft einfach zerrissen!
Es war so etwas wie eine Explosion, die den durch teuflische Magie geschaffenen Körper auflöste, und dann gab es nur noch dieses helle Strahlen und Robby.
»Ich habe meine Pflicht getan!«, hörte ich seine dünne Stimme. »Leb wohl, John Sinclair, leb wohl…«
Mit einer langsamen Bewegung hob ich den linken Arm, der plötzlich bleischwer geworden war. Mehr konnte ich nicht tun.
Ich war auch nicht in der Lage, zu reden.
Ich sah nur, wie das Licht zusammensackte und die Gestalt des Jungen wie ein Spuk verschwand. So schnell, dass ich es mit den Augen kaum verfolgen konnte…
***
Irgendwann erwachte ich wieder aus meiner Starre. Auch meine Gedanken konnte ich wieder ordnen. Da konnte man über all die Jahre die schwarzmagischen Gegner bekämpfen, man erlebte und durchlebte immer wieder etwas Neues.
Diesmal war alles anders gelaufen. Da hatte ich zwar eingegriffen, aber ich hatte mich mehr am Rande bewegt.
Ein toter Junge hatte mir zur Seite gestanden, um seinen Großvater zu rächen. Sie waren sicherlich in einer anderen Welt wieder vereint. Dem Monster würde es nicht gelingen, die grausamen Taten der Serienmörder fortzusetzen.
Ein derartiges Ende hatte ich noch nie erlebt, und ich würde auch noch lange darüber nachdenken, das stand fest.
Mit einer mechanisch wirkenden Bewegung drehte ich mich um, weil es noch jemanden in der Bibliothek gab.
Dominic Trenton kniete noch immer am Boden. Er schaute mich zwar an, aber ich war mir nicht sicher, ob er mich überhaupt sah. Seine Gedanken mussten woanders sein.
»Es ist geschafft, Nic.«
Meine Worte lösten bei ihm die Erstarrung. »Was ist eigentlich hier genau geschehen, John?«
»Das ist schwer zu sagen, Nic. Manchmal gibt es Dinge, auf die wir keine Antworten wissen, denn die müssen wir einer höheren Instanz überlassen.«
»Ja, das muss man wohl so sehen.«
Ich ging an ihm vorbei in die Halle.
»Wo wollen Sie hin, John?«, rief er mir nach.
»Ich muss zu den Ashers. Ich glaube nicht, dass sie wissen, was mit ihrem Sohn geschehen ist.«
»Und was wollen Sie ihnen sagen?«
»Ich weiß es noch nicht. Sage ich die Wahrheit, wird mir keiner glauben. Damit habe ich ja noch selbst Probleme. So müssen wir es wohl bei dem Herzfehler belassen…«
Eine weitere Erklärung gab ich nicht. Stumm trat ich hinaus in die neblige Welt…
ENDE
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