125 - Im Netz der Todesspinnen
schon in Ordnung bringen.
Zufrieden mit sich und der Welt, stapfte die walroßartige Gestalt ins Badezimmer, rasierte sich, stellte sich dann unter die Dusche und trocknete sich schließlich ab. Im Schlafzimmer schlüpfte Leclet in einen weißen Smoking, der die Fülle seines Leibes noch unterstrich; doch Alain Leclet war auf seinen gewaltigen Bauch stolz. Vor dem Spiegel blieb er stehen und betrachtete sich bewundernd. Er hielt sich für einen gutaussehenden Mann.
Trotz seines Geldes war er nie verheiratet gewesen. Sein Wahlspruch lautete: Warum soll man ein Pferd kaufen, wenn man nur einmal reiten will? Frauen hatten in seinem Leben nur eine wesentliche Rolle gespielt, wenn sie ihm Geld brachten. Eine Zeitlang hatte er ein Geheimbordell am Place Pigalle gehabt, das aber von der Polizei nach einem halben Jahr geschlossen worden war.
Er strich sich mit einem weichen Tuch über die Glatze, bis sie wie eine Billardkugel glänzte, grinste sich zu, trat dann ins Vorzimmer, stülpte sich einen Zylinder auf den kahlen Schädel und griff nach einem rotgefütterten Mantel, den er anzog. Mit dem Aufzug fuhr er in die Garage, wo ihn bereits Aime, sein Chauffeur, erwartete.
„Guten Abend, Monsieur!" begrüßte ihn Aime. Er riß sich die Kappe vom Kopf und verbeugte sich tief.
Leclet winkte ihm gönnerhaft zu, schnaubte, wälzte seine unförmigen Massen in das Wageninnere, knipste die extra für ihn konstruierte Leselampe an und griff nach den Zeitungen, die er gelangweilt durchblätterte.
Der Fahrer startete den schweren Wagen und fuhr langsam auf die Straße.
Alain Leclet blickte einen Augenblick aus dem Fenster, und seine Miene verdüsterte sich. Es regnete in Strömen. Er haßte das Wetter auf jeden Fall; ihm paßte es nicht, ob es nun schön war, ob es schneite oder regnete. Das Wetter konnte ihn nie zufriedenstellen.
Die Laune des Zweizentnermannes hatte sich rapide verschlechtert. Er starrte seinen Fahrer an und überlegte, ob er irgend etwas Beleidigendes zu ihm sagen konnte; das hätte seine Laune gehoben. Eine junge Frau sprang auf die Straße, und Aime mußte den Wagen herumreißen.
„So passen Sie doch besser auf, Sie Trottel!" knurrte Alain Leclet.
„Entschuldigung, Monsieur."
Leclets Lippen bebten vor Zorn. Er hatte panische Angst vor dem Autofahren. Bis jetzt hatte es kein Chauffeur länger als drei Monate bei ihm ausgehalten.
„Sie fahren wie ein Schwachsinniger", brummte Leclet. „Ich habe Ihnen ausdrücklich gesagt, daß ich es schätze, wenn Sie langsam fahren. Was tun Sie aber? Sie rasen wie ein Wahnsinniger die Straße entlang."
„Ich fuhr nur fünfzig, Monsieur."
„Da haben wir es!" kreischte Leclet. „Viel zu schnell. Es regnet. Denken Sie daran, daß wieder irgendeine verrückte Gans plötzlich auf die Straße springen könnte. Was tun Sie, wenn sie in den Wagen hineinläuft? Zahlen Sie dann vielleicht die Reparatur?"
„Monsieur ist ja versichert."
„Werden Sie nicht frech, Bürschchen!" entrüstete sich Leclet.
Seine Laune hatte sich wieder um einige Grade gebessert. Sein größtes Vergnügen war, Leute zu beleidigen. Doch der Fahrer war dazu nicht der richtige Mann. Er wehrte sich kaum. Leclet wußte, daß Aimes Frau im Augenblick das dritte Kind erwartete. Der Fahrer war, bevor er die Stellung bei ihm bekommen hatte, zwei Monate arbeitslos gewesen. Einen Augenblick spielte Leclet mit dem Gedanken, ihn fristlos zu entlassen. In einer Woche war es bei Aimes Frau soweit. Sobald sie entbunden hatte, wollte er ihrem Mann kündigen. Genußvoll stellte er sich vor, wie Aime reagieren würde. Vergnügt schlug er sich auf die prallen Schenkel.
Wie üblich fand der Fahrer keinen Parkplatz vor „The golden gate" in der Rue de Turbigo. Er blieb in zweiter Spur stehen, sprang aus dem Wagen, spannte den Schirm auf, öffnete die Fondtür, riß die Kappe vom Kopf und wartete, bis sich sein Chef aus dem Auto gewälzt hatte.
Am liebsten würde ich dem fetten Schwein einen Tritt in den Hintern geben, dachte der Chauffeur, lächelte aber demütig.
„Verdammtes Wetter!" klagte Leclet in einem Ton, als würde er seinen Fahrer dafür verantwortlich machen.
„Brauchen Sie mich im Augenblick, Monsieur?" fragte Aime.
„Sobald Sie einen Parkplatz gefunden haben, kommen Sie zu mir!"
Das Lokal war noch nicht geöffnet. Leclet ging in das Haus und einen Gang entlang, stieg zwei Stufen hoch und betrat das Lokal durch den Hintereingang.
Jean Desaint, der Oberkellner, eilte auf ihn zu, verbeugte
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