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1253 - Angst vor dem eigenen Ich

1253 - Angst vor dem eigenen Ich

Titel: 1253 - Angst vor dem eigenen Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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junge Frau zusammen. Sie hob den Kopf wieder an, schaute in die Runde und drehte ihn dabei sehr langsam.
    Hatte sie was entdeckt?
    Das Kreuz lag noch auf ihrer Hand. Die Finger daran zuckten, wie von Stromstößen durchfahren. Jeder von uns vernahm den schweren Atemzug, der aus ihrem Mund drang, und für uns stand fest, dass sie etwas Neues gesehen hatte.
    »Ich bin da…«
    »Wo bist du, Julie?«
    »Am Schacht. An einem tiefen Schacht. Er ist so lang, er ist so dunkel. Er reicht bis tief in die Erde hinein. Das ist unheimlich. Das ist grauenhaft.«
    Ich schaute sie an und hatte mich wieder gesetzt. »Bitte, Julie, du darfst jetzt nicht die Nerven verlieren. Du musst uns sagen, was du in diesem Schacht siehst.«
    »Noch nichts.«
    »Und weiter?«
    »Es ist so tief. Aber dort unten auf dem Grund ist etwas. Ja, das weiß ich genau. Da liegt was. Ich kenne es. Ich… ich… habe schon einen Kontakt gehabt. Es gehört zu mir. Ich fühle es, und ich will hin.« Sie erwachte aus ihrer starren Haltung und sah für einen Moment so aus, als wollte sie in die Höhe springen. Ihr Mund stand weit offen, die Augen ebenfalls. Sie streckte ihre leere Hand vor. Sie griff nach mir, sie hielt sich an mir fest und ein Schrei des Schreckens verließ ihren Mund. Die Hand mit dem Kreuz sackte nach unten. Mein Talisman rutschte zu Boden und blieb dort liegen, während Julie sich weiterhin an mir stützte.
    »Ich bin gefallen, gefallen«, flüsterte sie. »0 nein, ich bin in den Schacht gesprungen…«
    Plötzlich herrschte zwischen uns tiefes Schweigen. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Wir mussten uns auf Julies Aussagen verlassen, denn sie war es, die sah.
    Ich dachte darüber nach, ob einem Doppelkörper überhaupt etwas passieren konnte. So recht glaubte ich nicht daran. Er war nicht stofflich, er war ein Gebilde, ein Produkt, das sensible Menschen in einer Stresslage schufen, ohne dass sie etwas dazu konnten.
    Trotzdem hatte Julie eine gewisse Angst verspürt. Das war deutlich hervorzuhören gewesen. Es konnte aber auch eine Überraschung gewesen sein.
    Es passierte auch weiterhin nichts. Wir hörten keinen Kommentar, aber wir stellten fest, dass sich unsere Freundin allmählich entspannte. Ihre Haltung verlor die Starre, und sie hob die Arme an, um mit den Händen durch ihr Gesicht zu streichen.
    Ich nahm mein Kreuz wieder an mich. Erwärmt hatte es sich nicht. Aber es hatte uns zumindest den Weg zu Julies Doppelkörper geöffnet, und das war wichtig.
    Als sie den Kopf drehte und uns anschaute, sah sie aus wie jemand, der nach langem Schlaf erwacht war und nicht wusste, wie er in eine bestimmte Umgebung hineingekommen war. Ich wollte es auch nicht zu locker machen und stellte eine Standardfrage, die nicht besonders originell klang.
    »Alles okay, Julie?«
    Sie lachte und nickte. »Ja, es ist okay. Ich bin okay, obwohl ich nicht richtig weiß, was passiert ist. Irgendwo habe ich einen Filmriss gehabt.«
    »Aber du erinnerst dich doch, dass wir miteinander geredet haben und du uns…«
    Sie ließ mich nicht aussprechen. »Ja, ja, daran erinnere ich mich. Es ist alles klar, aber dann wurde es dunkel.«
    »Es war dein Zweitkörper«, sagte Godwin. »Er hat sich woanders herbewegt. Kannst du dich daran erinnern?«
    Sie blickte ihn an. Dabei strich sie das Haar zurück. »Ja, das kann ich«, bestätigte sie nach einer Weile. »Da ist etwas gewesen, aber dann riss der Kontakt ab.«
    »Dein Weg hat dich in den Stollen geführt. Zu den Gebeinen der Maria Magdalena.«
    Sie lächelte nach meiner Bemerkung. »Das weiß ich alles. Wir waren schon da.«
    »Aber nicht im Schacht«, sagte Suko.
    »Wieso?«
    »Du bist hineingefallen.«
    Im ersten Moment erschrak sie. »Ich soll… ich soll… aber ich bin doch hier?«
    Es war klar, dass die Erinnerung nicht mehr so funktionierte, wie wir es uns wünschten. Wir verständigten uns durch Blicke und nahmen uns vor, das Thema vorerst nicht anzuschneiden.
    »Ja«, sagte sie dann, »ich weiß nicht, was ich noch tun soll. Ich weiß es wirklich nicht. Ich wohne ja nicht hier. Wir wollten doch wieder zurück, oder?«
    »Das hatten wir vor«, gab ich zu. »Aber wir müssen noch etwas erledigen, denke ich.«
    »Was denn?«
    »Ich glaube, dass wir den Stollen noch einmal betreten, um nachzuschauen, was wirklich auf dem Grund des Schachts liegt.« Ich blickte den Templer an. »Oder was sagst du dazu, Godwin?«
    Er zuckte die Achseln. »Bis jetzt habe ich mich noch nicht damit beschäftigt. Ich weiß auch

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