1253 - Angst vor dem eigenen Ich
nicht, ob ich einen Alleingang starten kann. Ich müsste mich mit meinen Freunden erst besprechen. Du weißt selbst, was Maria Magdalena in der Vergangenheit für die Templer bedeutet hat. Denkst du daran, die Gebeine zu heben und sie woanders zu bestatten, zu verwahren oder wie auch immer? Gewissermaßen als eine Reliquie?«
»Die Chance wäre vorhanden.«
»Aber soll man sie auch nutzen?«
»Das müssten wir abstimmen.«
Godwin überlegte nicht lange. »Ich denke, dass wir es unter uns tun sollten, weil ich nicht glaube, dass ich mit meinen Freunden schnell zu einer Einigung gelange. Also sage ich euch, dass ich auf deiner Seite stehe, John. Ja, ich möchte endlich wissen, ob in diesem Schacht tatsächlich die Gebeine dieser geheimnisvollen Frau liegen. Und ich hoffe, dass uns niemand mehr stören wird. Kein van Akkeren und auch kein Absalom, der ja seine Pflicht erfüllt hat.«
Er erntete keinen Widerspruch, aber Suko fragte mit leiser Stimme: »Was ist mit Julie?«
Sie war das Problem. Ließen wir sie hier? Nahmen wir sie mit? Ich war da unschlüssig. Wenn wir sie zurückließen, war sie unserer Kontrolle entglitten. Die Angst vor dem eigenen Ich konnte jeden Augenblick wieder zurückkehren, und da war es besser, wenn sie Helfer und Unterstützer in ihrer Nähe wusste.
Wir konnten sie nicht einfach zwingen und auch nicht vor vollendete Tatsachen stellen. Wir mussten schon ihr die Entscheidung überlassen, und es war Godwin de Salier, der sie leise ansprach und ihr unser Vorhaben erklärte.
»Ihr wollt wieder hinein?«
»Es ist unsere Pflicht. Du kennst dich ebenfalls aus, Julie. Du hast viel gesehen. Du bist sogar in den Schacht hineingesprungen. Das heißt, dein Doppelkörper hat es getan. Auch wenn im Moment die Verbindung gerissen ist, kann es doch sein, dass du dich wieder an gewisse Dinge erinnerst, die für uns alle wichtig sein können, aber wir überlassen dir die Entscheidung.«
Julie fühlte sich nicht gut, das sahen wir ihr an. Sie zog die Schultern hoch, sie schaute zu Boden, sie drehte den Kopf, sie wollte keinen von uns anschauen.
Schließlich flüsterte sie: »Ich habe Angst.«
»Das ist verständlich. Es ist auch deine Entscheidung, Julie«, erklärte ich ihr.
»Natürlich. Ja, da ist es wohl besser, wenn ich mit euch gehe. Hier bin ich zwar nicht allein, aber trotzdem einsam, denn von den anderen Templern kenne ich kaum jemanden.«
Ich lächelte ihr zu. »Ich denke, dass deine Entscheidung richtig gewesen ist. Auch in deinem Interesse, Julie. Es können sich auch für dich neue Perspektiven ergeben.«
»Ich hoffe es.« Sie lehnte sich an mich. »Aber ich habe trotzdem Angst, John.«
»Jja, das kann ich verstehen…« Es war nicht einfach so dahingesagt. Auch ich spürte ein gewisses Kribbeln, wenn ich daran dachte, was alles vor uns lag…
***
Vorbereitungen mussten getroffen werden. Wir nahmen starke Lampen mit. Wir konnten nicht in den Schacht hineinspringen, sondern mussten nach unten klettern. Dazu benötigten wir ebenfalls Hilfe.
Wir kannten leider die Tiefe nicht, und so lange Leitern besaßen die Templer nicht. Also mussten Strickleitern besorgt werden.
Das alles nahm Zeit in Anspruch, aber unser Freund Godwin war ein guter Organisator. Zudem konnte er sich auf seine Mitbrüder verlassen, und schließlich waren wir nach zwei Stunden so weit, um alles in den Wagen zu laden.
Die anderen Templer hatten keine Fragen gestellt, aber Godwin war zu ihnen gegangen und hatte ihnen erklärt, was wir in die Wege leiten wollten.
Keiner begehrte auf. Sie alle wussten, wie wichtig ein solcher Einsatz war.
Als wir anfuhren, saß Julie neben mir im Fond. Auf ihren Knien lag ebenso ein Helm wie auf den meinen. Er war mit einer Lampe bestückt, die auf Batteriebetrieb lief.
Sie sagte nichts. Aber in ihrem Kopf rumorten die Gedanken, das sah ich ihr an. Hin und wieder holte sie tief Luft, und ich sah auch, dass sich ihr Gesicht gerötet hatte.
»Hast du dir schon überlegt, was mit den Gebeinen geschehen soll, falls wir sie finden, John?«
»Ja und nein. Ich plädiere dafür, dass sie bei den Templern hier in Alet-les-Bains bleiben. Da sind sie gut aufgehoben. Sie werden stets bewacht, was sein muss, denn es steht zu befürchten, dass Vincent van Akkeren einen weiteren Anlauf unternehmen wird, um sie zu bekommen.«
»Aber er ist doch weg!«
Ich lachte. »Endgültig? Das glaube ich nicht. Nein, nein, nicht einer wie er. Irgendwie wird er wieder einen Dreh finden. Und wenn er die
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