1253 - Angst vor dem eigenen Ich
ihr noch immer nichts gefunden?«
»Nein!«
Es trat eine kurze Pause ein. »Und was wollt ihr jetzt tun?«
»Weitersuchen.«
»Okay, wir warten.«
Wir nahmen uns jetzt die Höhle systematisch vor, forschten auch nach Spalten und Rissen in den Wänden und stellten dabei fest, dass sich die Decke im Hintergrund der Höhle leicht senkte.
Diese Umgebung hatten wir noch nicht genauer untersucht. Mir war sie zuerst aufgefallen, und ich ging hin. Auch hier sahen die Wände im ersten Moment kaum anders aus, aber das war ein Irrtum, denn plötzlich sah ich den runden Kegel des Lichtstreifens nicht mehr. Er war einfach weg, und der Strahl wirkte wie abgeschnitten.
Ich sagte Godwin nichts. Sehr behutsam und wie auf Eiern laufend ging ich dem neuen Ziel entgegen.
Ich merkte, dass mein Herz schneller schlug, weil ich einfach das Gefühl hatte, vor einer sehr wichtigen Entdeckung zu stehen.
Hinter mir hörte ich Godwin flüstern. Er war beschäftigt, und er war sauer, denn er schimpfte leise vor sich hin. Die Suche hatte er sich anders vorgestellt.
Mir erging es ähnlich. Nur hatte ich inzwischen wieder etwas Hoffnung bekommen. Man hatte den Strahl nicht gekappt, er war einfach verschwunden und in eine weitere Höhle eingetaucht, die hinter der ersten lag. Es gab diesen Zugang, der glücklicherweise so breit war, dass ich mich hindurchschieben konnte, ohne darin festzuklemmen. Der Lichtstrahl suchte sich seinen Weg, ich suchte mir den meinen, musste mich zur Seite drehen und konnte mich dann durch die Öffnung schieben. Wieder spürte ich den kühlen Luftzug an Nacken und Gesicht, aber darauf achtete ich jetzt nicht.
Ich stand einen kleinen Schritt vor dem Eingang und achtete diesmal auf mein Gefühl. Mich überkam der Eindruck, dass ich zwar in einer Höhle stand, gleichzeitig aber auch in einer tiefen Felsengruft, die vor Hunderten und mehr Jahren angelegt worden war, um sie vor den menschlichen Augen zu verstecken.
Ich bewegte mich nur langsam. Und ebenso langsam zog sich die Haut auf meinem Rücken zusammen. Ich konnte es nicht beschreiben, aber diese Höhle oder Gruft hatte etwas ganz Besonders.
Durch sie wehte der Atem der Jahrhunderte, wie ein kalter Hauch, der eine Botschaft enthielt.
War sie für mich bestimmt?
Ich nahm es einfach an und bewegte den rechten Arm, in dessen Hand ich die Lampe hielt. Ich führte sie langsam im Kreis, um den Lichtkegel über die Wände gleiten zu lassen.
Im ersten Moment sahen sie normal aus, und ich wollte schon weiterleuchten, als ich meinen Arm wieder zurückzog, weil mir etwas aufgefallen war. Die Wand war nicht so normal wie die, die hinter mir lag. Sie besaß Vorsprünge, auch Einbuchtungen, doch beide sahen nicht so normal aus, wie es eigentlich hätte sein müssen. Mir kam es vor, als wären sie von Menschenhand bearbeitet worden.
Ich konzentrierte mich auf eine Stelle, die höher als mein Kopf lag. Der Lichtkegel zitterte nicht. Sehr deutlich malte sich dort etwas ab, das meiner Ansicht nach die Natur nicht so geschaffen haben konnte. Möglicherweise, wenn es ein Einzelfall gewesen wäre, aber auch das stimmte nicht, denn eine Armlänge entfernt entdeckte ich das gleiche Phänomen erneut.
Ja, hier hatten Menschen gearbeitet und den Stein bearbeitet, denn aus ihm war ein Gesicht geschaffen worden. Ein Gesicht, das praktisch aus der Wand hervorschaute und aussah wie vorgebeugt, während der Körper noch mit dem Gestein verbunden war.
Ich ließ den Strahl weiterwandern und entdeckte tatsächlich ein drittes Gesicht.
Auch ein viertes und fünftes. Die Gesichter bildeten einen Kreis. Sie alle glotzten aus dem Gestein hervor und wirkten auch gleich. Da musste ein Künstler gearbeitet haben.
Ich trat näher an das erste Gesicht heran. Nein, es war nicht die Fratze des Teufels, auch wenn sie unförmig aussah. Eine dicke Nase, hervorquellende Augen, ein in die Breite gezogenes Maul, das offen stand und an den Mundwinkeln verzerrt war und dem Gesicht deshalb einen bösen und dämonischen Ausdruck gab.
Keine Körper, keine Hände, keine Anne. Nur eben- die nach unten gerichtete Fratzen, die allesamt in eine Richtung schauten und sich dabei gegenüberstanden.
Mit dieser Entdeckung hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet. Mir kam in den Sinn, dass der Weg zu den Gebeinen sicherlich noch mit schweren Steinen beladen war, die erst zur Seite geräumt werden mussten.
In den folgenden Sekunden konzentrierte ich mich mehr auf die Augen. Ich hatte schon lebende Steinfiguren
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