1253 - Aufbruch nach Erendyra
Scheibe, „wurde vor kurzer Zeit durch einen nuklearen Krieg verwüstet. Das ist, was mich interessiert. Wer hat dort gekämpft und warum? Gibt es noch Reste von Leben? Welche Spuren hat die fremde Zivilisation hinterlassen?" Er nickte den Umstehenden gewichtig zu. „Wir werden landen, um Antworten auf diese Fragen zu finden."
Agid Vendor schaltete blitzschnell. Ihr Widerspruchsgeist war voll in Fahrt. Bot ihr das eine Thema keine Gelegenheit zum Nörgeln mehr, dann verlegte sie sich auf das andere. „Landen?" stieß sie hervor. „Auf einer nuklear verseuchten Welt landen? Bist du verrückt?"
Reginald Bull schüttelte müde den Kopf. Er hatte keine Lust, sich zu streiten. „Nein, ich bin nicht verrückt. Wir überstürzen nichts. Wir bleiben fünfzig Stunden lang im Orbit und nehmen alle nötigen Messungen vor. Erst wenn wir wissen, daß uns keine Gefahr droht, machen wir uns an die Landung."
Sie sah ihn von der Seite her an. Ein spöttisches Lächeln spielte auf ihrem knochigen Gesicht. „Warten und messen. Vorsicht walten lassen", sagte sie. „Ich kenne dich nicht wieder, Reginald Bull.
Das ist die erste vernünftige Entscheidung, die du innerhalb von vier Wochen getroffen hast."
Grimm leuchtete aus Bulls Augen. Agid Vendor wich ängstlich zurück, als er einen Schritt auf sie zutrat. „Dampf ab, Schreckschraube", grollte er. „Ich mag nichts mehr von dir hören."
*
31. März 429.
Es ist still und dunkel vor meiner Höhle. Wir rechnen an Bord nach Terrania-Zeit. Es ist 2.30 morgens. Viele halten sich noch an den alten 24-Stunden-Tag. Sie gehen zu Bett, wenn über Terrania die Nacht einsetzt, und stehen auf, wenn sich über der Hauptstadt die Sonne erhebt.
Das Jahr 4016 hätten wir jetzt, wenn es den alten Kalender noch gäbe. 2045 Jahre ist es her, daß Erde und Menschheit um Haaresbreite einem Schicksal entgingen, dem dieser fremde Planet, den ich Holocaust nenne, offenbar nicht hat ausweichen können. Sie fragen mich, warum ich unbedingt auf einer von Kernbomben verwüsteten Welt landen will. Keiner von ihnen hat erlebt, was ich mitgemacht habe. Von den Tagen des Bangens, damals in den Jahren 1971/72, wissen sie nur aus ihren Geschichtstexten. Ich möchte mit eigenen Augen sehen, wie die Erde ausgesehen hätte, wenn nicht durch Gottes Hilfe, mit ein bißchen Erpressung und einer ganzen Menge gesunden Menschenverstands im letzten Augenblick noch eine Wende geschaffen worden wäre.
Soweit die Nostalgie. Abgesehen davon möchte ich aus strategischen Gründen in Erfahrung bringen, was dort unten geschehen ist. Wir werden uns geraume Zeit in der Mächtigkeitsballung ESTARTU aufhalten. Es ist nötig zu wissen, wer hier wem mit Kernbomben an den Kragen geht. Stalker hat recht behalten, was die Schönheit der Elysischen Ringe angeht. Aber mit der Friedlichkeit der Völker, die ESTARTU bewohnen, hat er uns einen Bären aufgebunden. Was unsere Meßinstrumente anzeigen, wenn wir sie auf Holocaust richten, erweckt keineswegs den Eindruck, als sei die Friedensliebe hier weit verbreitet.
Ein paar Daten. Das Schiff hat ermittelt, daß die 23 Monde vor achthundert Jahren aufgehört haben zu existieren. Wie es dazu kam, daß sich ihre Materie homogen über die Peripherie des jeweiligen Ringes verteilte, läßt sich nicht mehr feststellen. Es sieht nicht so aus, als sei das auf natürlichem Wege geschehen, sondern riecht vielmehr nach Manipulation. Manchem ist wohl, genau wie mir, der Gedanke gekommen, daß die Monde zur selben Zeit zerstört wurden, als auf Holocaust der nukleare Krieg stattfand. Weit gefehlt! Aus Stronkers Daten geht eindeutig hervor, daß der Krieg sich vor fünfzig Standardjahren ereignete. Zwischen ihm und der Auflösung der Monde liegt also eine Zeitspanne von 750 Jahren. Der Himmel mag wissen, wie wir auf einer total verwüsteten Welt Informationen finden sollen, die uns all diese Rätsel lösen helfen. Auf Holocaust gibt es nicht einmal mehr primitiven Pflanzenwuchs, zumindest nicht auf großflächiger Basis. Auch das weisen Stronkers Messungen eindeutig aus.
Natürlich hat Agid Vendor recht. Das System der 23 Monde kann niemals auf natürliche Weise stabil gewesen sein. Es tut mir leid, daß ich sie so hart angefahren habe, aber ihr ständiges Gekeife und ihre Neigung, sich bei jeder Gelegenheit wichtig zu tun, gehen mir auf die Nerven. Bei nächster Gelegenheit werde ich mich bei ihr entschuldigen. Selbst die Staubringe müßten einander so beeinflussen, daß sie innerhalb
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