1254 - Der Satans-Kutscher
uns!«
»Wo?«
»In der Kutsche«, sagte eine zweite Stimme.
Jetzt endlich öffnete sich bei ihr der verdammte Vorhang ein Stück. Die Erinnerung kehrte zurück. In Windeseile schoss ihr alles durch den Kopf, und sie dachte an diesen kleinen Mann namens Ringo Finch, den sie unterschätzt hatte und der mit ihrem Wagen weggefahren war.
Auch erinnerte sie sich an die beiden jungen Männer, die in der Kutsche als Gefangene gehalten wurden, und genau dieses Schicksal hatte auch sie jetzt ereilt, da musste sie erst keine weiteren Fragen stellen. Sie wusste schon, wo sie sich befand.
Aber es war nichts klar zu sehen. Über Janes Augen lag ein Schleier, der alles so verschwommen machte und das bei einem Licht, das mehr als mies war.
Sie konnte nicht zu lange auf einen Fleck schauen, dann nahmen die Kopfschmerzen wieder zu, und deshalb senkte sie den Blick und schloss wieder die Augen.
»He, nicht wieder einschlafen.«
»Nein, nein…«, murmelte Jane.
»Du gehörst jetzt zu uns. Du bist auch so beschissen dran. Du kannst dich auf eine Höllenfahrt gefasst machen.«
»Wie… wieso?«
»Ja«, sagte der andere. »Das ist die Kutsche, die uns in die Hölle fährt. Das wurde uns gesagt.«
»Unsinn.«
Beide lachten so laut, dass Jane wieder stärkere Schmerzen verspürte und das Gesicht zu einer Grimasse verzog.
Als das Lachen verstummt war, öffnete sie wieder die Augen. Sie sah jetzt etwas klarer, aber es war trotzdem noch zu dunkel, um sich wohl fühlen zu können. Nur von außen her drang ein wenig Licht von den vier Laternen in das Innere der Kutsche.
Ihre beiden Mitgefangenen hockten ihr auf einer Sitzbank gegenüber. Sie schauten sie an und mussten die Blicke etwas senken, denn Jane lag auf dem Boden. Nicht ganz ausgestreckt, dazu reichte der Platz nicht aus. Ihr Kopf lag praktisch mit der anderen Sitzbank auf einer Höhe. Erst jetzt wurde ihr sehr deutlich bewusst, dass die beiden Männer genau die Gefangenen waren, die sie durch das Türfenster gesehen hatte. Und sie dachte auch über das nach, was sie gehört hatte.
Von einer Fahrt in die Hölle war die Rede gewesen. Von einer Reise mit dieser Kutsche in die Verdammnis, und Jane wusste, dass sie sich nicht verhört hatte.
Sie war niedergeschlagen und gefangen genommen worden. Sie hatte den Typ vom Kutschbock unterschätzt.
»Okay«, flüsterte sie. »Es geht mir fast wieder gut.« Sie musste selbst über ihre Worte krächzend lachen. »Aber vielleicht kann mir einer von euch mal hoch helfen.«
»Wo willst du denn hin? Raus?«
»Wenn's geht.«
Sie hörte nur das höhnische Lachen. »Nein, hier kommen wir nicht weg, wenn er es nicht will. Wir haben schon alles versucht. Das kannst du mir glauben.«
»Dann will ich mich wenigstens hinsetzen.«
»Okay, das wird sich machen lassen.«
Beide halfen ihr, und Jane konnte schließlich normal auf der Bank sitzen, wobei sie das Gefühl hatte, alles in ihrer Nähe würde sich bewegen und auf und ab schweben. Das richtige Gleichgewicht hatte sie noch immer nicht gefunden.
Als die stützenden Hände sie losließen, war sie in Schweiß gebadet. Das Herz schlug schneller als gewöhnlich, und jeden Schlag bekam sie als weiteren Stich im Kopf mit.
Auch die ersten Anzeichen von Übelkeit stiegen in ihr auf. Hätte sie jetzt einen Spiegel gehabt und hineingeschaut, sie hätte sich blass wie eine Leiche gesehen.
»Geht's wieder?«
»Fast.«
»Ja, so wird es bleiben.«
Allmählich drang wieder der Spürsinn in ihr hoch. Okay, sie musste hinnehmen, dass man sie gefangen hielt. Aber sie wollte auch wissen, warum das geschehen war und wer sich dafür verantwortlich zeigte. Ohne Grund war das nicht passiert, ebenso wenig wie bei ihren beiden Mitgefangenen. Die Waffe hatte man ihr natürlich abgenommen. Sie besaß keine Waffe mehr. Nur noch die kleine Lampe, die aber ließ sie vorerst stecken. Wichtig waren die beiden jungen Männer.
»Ich heiße übrigens Jane Collins«, sagte sie.
Der Mann mit dem runden Gesicht und der flachen Wollmütze deutete mit dem Finger auf sich. »Ich bin Tim Allen.«
»Und wie heißt du?«
»Archie Rickman.« Er war ein hagerer Typ mit kahl rasiertem Kopf und kalten Augen. Seine Nase war so krumm wie der Schnabel einer Eule.
Jane wollte keine Vorurteile aufkommen lassen, aber sie besaß auch genügend Menschenkenntnis, um zu wissen, dass diese beiden Typen keine Chorknaben waren. Sie gehörten womöglich zu einer Gruppe, die ihr Leben auf einer bestimmten Bahn verbrachten und ihren
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