1255 - Böser schöner Engel
Punkte getroffen.
Auch dieser Typ fiel wie ein nasser Sack vor meinen Füßen zu Boden und bewegte sich nicht mehr.
Karina lachte: »Wir waren gut, wie?«
»Du bist gut gewesen!«
»Nein, nein, alleine hätte ich die beiden nicht geschafft.« Sie deutete auf die Waffe. »Steck mal lieber seine Kanone ein.« Das hatte sie schon bei dem ersten Typ getan. Jetzt ging sie zu ihm, um ihn aus dem Weg zu schieben.
Ich kümmerte mich um den zweiten und tat bei ihm das Gleiche. Es war wieder sehr still geworden, und wir hörten im Moment nur das leise Klatschen der Wellen.
Sandor Maremkin gab keinen Laut von sich. Ich bezweifelte, dass er unter großen Schmerzen litt, sonst hätte er gejammert. Er lag mehr in seinem Sessel als dass er saß und hielt den Arm nach vorn gestreckt, der immer weiter verfaulte und deshalb auch eine dunklere Farbe annahm, die schon fast die Schulter erreicht hatte. Der Mann hatte seine Augen so verdreht, dass er gegen die Schulter schauen konnte. Deutlich war das Entsetzen in seinem Gesicht zu sehen.
»Es ist die Seite, die bei ihm gelähmt war«, flüsterte mir Karina zu. »Was sagt dir das?«
»Dass es bei dieser Heilung nicht mit rechten Dingen zugegangen ist!«
»Mehr nicht?«
»Magie.«
»Genau. Die Heilerin arbeitet mit den Mächten von der anderen Seite zusammen.« Karina schüttelte den Kopf. »Von wegen heilende Hände. Das steht hier nicht mehr zur Debatte.«
Ich hatte ihr zugehört und mich dabei umgeschaut. Das Haus war abgesichert, und ich ging davon aus, dass es im Innern ebenfalls die künstlichen Augen gab. Die sah ich nicht, was aber nichts heißen musste. Oft waren diese Objektive kleiner als ein Fingernagel und so gut versteckt, dass sie nicht auffielen.
Karina war nahe an Maremkin herangetreten. Sie fragte mich: »Wird er sterben?«
»Keine Ahnung. Jedenfalls hat ihn das alte Schicksal wieder erreicht.«
»Dann müssen wir von einer Lähmung ausgehen.«
»Ja, das kann alles sein.«
Ob uns der Mann gehört hatte, wussten wir nicht. Jedenfalls hatte er seine Probleme und stand unter einem gewaltigen Druck. Noch war sein Gesicht verschont geblieben, und es konnte sein, dass es auch weiterhin so blieb. Den Bademantel hatte er nur lässig zusammengeknotet. Beide Hälften waren durch die Veränderung seiner Position verrutscht, sodass wir einen guten Blick auf seinen nackten Körper bekamen. Trotzdem schob ich den Stoff noch an der rechten Seite weg, öffnete auch den Gürtelknoten, und so lag der gesamte Arm vor uns.
Der sah nicht gut aus. Über die Schulter hinweg war die Verfärbung gelaufen und näherte sich dem Hals. Aber ich sah auch, dass sie dicht davor auslief, die Lähmung hatte also seinen Hals nicht erfasst.
Doch auch der übrige Körper war nicht verschont geblieben. Zumindest nicht an dieser Seite. In Höhe der Hüfte hatte sich die Haut ebenfalls eingefärbt, und diese Färbung hatte sich auch noch höher geschlichen.
Er sah uns. Sein Blick zeigte Angst und Verzweiflung. Der Mund war nicht geschlossen, und tief in seiner Kehle wurde ein heiseres Röcheln geboren.
»Können Sie mich hören?«, fragte Karina. Sie versuchte es weiterhin in englischer Sprache.
Da machte Sandor Maremkin nicht mit. Er antwortete in Russisch, und jedes Wort war von einem Stöhnen unterlegt. Der Mann war am Ende. Er musste seine Hoffnungen auf die Zukunft begraben, und auf seine Geschäfte würden sich die Konkurrenten wie Geier stürzen. Normal gesund würde er nicht mehr werden.
Ich hörte dem Frage-und-Antwort-Spiel der beiden Personen zu. Bei dem Russen war jede Antwort von einem Stöhnen begleitet. Man sah ihm an, wie schwer es ihm fiel, die Worte zu formulieren. Immer wieder schielte er dabei auf seinen Arm.
Er war jetzt durchgehend fast schwarz geworden. Es hätte mich nicht gewundert, wenn der Arm abgefallen wäre, aber ich hütete mich davor, ihn zu berühren.
Karina holte ein Handy hervor. Bevor sie eine Nummer eintippen konnte, brüllte sie Maremkin an.
»Njet!«
»Nein?«, fragte ich. »Was ist los?«
Karina schüttelte den Kopf. »Er ist unvernünftig. Ich wollte einen Arzt anrufen. Wenn noch etwas zu retten ist, dann muss er in ein Krankenhaus. Er will nur nicht. Er will hier bleiben. Er will in seinem Haus bleiben und krepieren.«
»Er kann auch mit nur einem Arm weiterleben.«
»Das habe ich ihm auch gesagt, aber du weißt ja wie das ist. Manche Menschen sind eben stur, und genau dieses Problem haben wir leider bei ihm. Er geht in kein Krankenhaus.
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