1255 - Böser schöner Engel
dir einen Teil davon abgegeben und dich auf diese Art und Weise geheilt. Aber er hat dich dann nicht mehr losgelassen und an der langen Leine geführt. Zu viel von ihm steckt noch in dir, und das ist das Problem gewesen.«
»Ich hasse sie!«
»Kann ich verstehen. Tamara ist eine Person, die großes Unglück bringt oder gebracht hat. Ich denke, du willst, dass man sie außer Gefecht setzt.«
»Ja.«
»Dazu brauchen wir aber einen Hinweis. Anders ist es nicht zu machen. Wir können nicht herumfliegen und im Morast stochern. Du musst uns schon sagen…«
»Ich habe alles gesagt. Die E-Mail-Adresse kennt deine schöne Freundin. Da kannst du dann Kontakt aufnehmen. Vielleicht kommt es zu einem Treffen, aber wenn, Sinclair, dann musst du mir eines versprechen. Ist das klar?«
»Ich werde es versuchen.«
Damit gab sich Maremkin zufrieden. »Wenn du ihr gegenüberstehen solltest, dann nimm auch dein Kreuz und mach sie fertig. Tust du mir den Gefallen?«
»Ja, das verspreche ich dir. Sollte ich es wirklich schaffen, wird das so sein.«
»Gut«, flüsterte er, »das ist gut. Danke.« Er keuchte und warf sich dabei auf die andere Seite.
Karina war zu mir gekommen. Sie hatte unserer Unterhaltung zugehört. Jetzt nickte sie mir zu. »Ich habe einige Kollegen von einem Einsatzkommando alarmiert. Sie werden kommen und das Haus hier stürmen. Ich möchte mir nämlich nicht den Weg nach oben frei schießen müssen. Noch haben wir Ruhe, aber ich frage mich, wie lange sie anhält.«
»Sehr gut. Was ist mit einem Arzt für Sandor?«
»Den bringen die Männer mit. Der ist sowieso immer dabei. Ob er noch was richten kann, weiß ich nicht, daran kann ich einfach nicht glauben. Er sieht zu schlimm aus.«
»Der Arm ist von unten bis oben verfault. Ein Wunder, dass er noch nicht abgefallen ist.«
»Irgendwie tut er mir auch leid. Ein solches Schicksal hat kein Mensch verdient.«
Es war, als hätte sie bewusst das Thema angeschnitten, denn jetzt passierte genau das, was wir befürchtet hatten. Der Arm trennte sich vom Körper, und das fing mit der Hand an. Sie lag nur noch mit einem Rest auf der Lehne, ansonsten hing sie darüber hinweg.
Und jetzt fiel sie ab!
Wir zuckten beide zusammen, als wir das sahen. Es geschah in unserer unmittelbaren Nähe, und wir hörten auch, wie die Hand auf dem Boden aufschlug.
Verkrustet, verfault und tief eingeschwärzt blieb sie dort liegen. Der Armstumpf zuckte, weil er vor und zurück bewegt wurde. Er glitt schabend über das Leder der Lehne hinweg, als wollte er sich aufreiben.
Aber es passierte an der Schulter. Plötzlich fiel der Arm ab. Er knickte einfach aus dem Gelenk, bekam das Übergewicht und landete ebenfalls am Boden.
Zugleich wuchtete Maremkin seinen Körper in die Höhe. Sein Gesicht verzerrte sich in einem wahnsinnigen Entsetzen. Der Ausdruck ließ sich kaum beschreiben. Der Mund stand dabei weit offen, aber der Schrei blieb aus.
Ich wollte den Russen noch abstützen. Es war zu spät. Ich fasste ins Leere, und er brach dicht vor mir zusammen, wobei er wieder zurück in den Sessel fiel.
Der letzte Ausdruck war noch immer in seinem Gesicht zu sehen. Nun aber erstarrt, und er würde sich auch nie mehr ändern, denn Sandor Maremkin lebte nicht mehr…
***
Obwohl wir damit gerechnet hatten, mussten auch wir erst darüber hinwegkommen. Es ist nie gut, einen Menschen sterben zu sehen, auch wenn er zur Unterwelt gehört.
Karina sah, dass ich die Lippen zusammenpresste. Von der Seite her strich sie zart über meine Wange hinweg. »Du musst dir keine Vorwürfe machen, John. Ich weiß ja, wie es in dir aussieht, aber das ist Unsinn. Er wäre auch ohne dein Kreuz gestorben, wenn es Tamara nicht mehr gepasst hätte.«
»Kann sein.«
Beide schwiegen wir und schauten auf den abgefallenen Arm. Auch die rechte Seite des Körpers war noch geschwärzt, aber bei ihr fiel nichts ab.
»Wir müssen diese Tamara finden«, sagte ich. »Das ist der einzige Weg. Und verdammt, das kann doch nicht so schwer sein!«
»Denke ich auch. Sobald wir einen Computer in der Nähe haben, werden wir sie anmailen. Etwas anderes ist im Moment nicht drin.« Karina blickte auf die Uhr. »Eigentlich müssten meine Freunde gleich hier sein. Die sind sonst immer ziemlich fix.«
»Greifst du öfter auf sie zurück?«
»Es geht. Wladimir Golenkow steht da weiter vor. Er hat die Truppe auch mit ins Leben gerufen.«
Dann hörten wir die Schreie. Auch Schüsse fielen. Dazwischen krachende Geräusche, als wäre
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