1256 - Belials Bann
fest. Ich musste mich entscheiden, denn in dieser schrägen und auch starren Haltung konnte ich nicht ewig bleiben. Rückzug oder den Weg nach vorn?
Ich war kein Mensch, der kniff. Diese Eigenschaft hatte mich schon in die haarsträubendsten Situationen geführt und das würde auch hier nicht anders sein, wenn ich zu unvorsichtig war.
Ich schaute mir kurz die nähere Umgebung an. Da sahen die Pfannen sogar recht gut aus, was ihren Eisbelag anging. Ich wollte auch nicht viel weiter gehen, denn so konnte ich mich auch an einer Kante des Fensters fest halten.
Ich versuchte es. Dabei war ich abgelenkt. Tamara hätte mich jetzt angreifen können, aber etwas hielt sie davon ab.
Für mich hing es nur mit dem Kreuz zusammen. Es hatte mich gewarnt, und es musste auch sie gewarnt haben und so blieb sie an ihrem Platz neben dem hüfthohen Schornstein stehen und beobachtete mich aus der sicheren Distanz heraus.
Ich hatte schon meine Probleme, auf der Schräge einen einigermaßen sicheren Halt zu finden, aber es klappte besser, als ich es erwartet hatte und das lag ausgerechnet an einer zerstörten Dachpfanne, die so gekippt war, dass ich mit einem Fuß Halt darauf finden konnte, der mir auch nicht wegbrach.
Mit der linken ausgestreckten Hand hielt ich mich am Fenster fest und wartete jetzt darauf, dass Tamara etwas unternahm.
Sehr sicher wirkte sie auf mich nicht. Sie sah schon aus wie jemand, der mit gewissen Problemen zu kämpfen hatte, das las ich an ihrem Blick ab, der mich skeptisch kontrollierte. Sie wusste nicht so recht, mit wem sie es zu tun hatte und auch ich provozierte sie nicht, denn meine Beretta ließ ich stecken.
Immer wieder peitschte der kalte Wind über das Dach hinweg und erwischte mich wie mit eisigen Tüchern. Lange konnte ich es hier oben nicht aushalten.
Tamara wollte etwas von mir, sonst hätte sie mich nicht angesprochen. Ihre Stimme war leise, aber durchaus zu verstehen. Nur sprach sie Russisch, und da konnte ich nicht mit.
»Ich weiß nicht, was du gesagt hast.«
Sie hatte meine Worte gehört und blieb starr. Da gab es eben keine Brücke, über die wir uns hätten verständigen können, und wohl jeder von uns suchte nach einem Ausweg.
Bevor sie sich bewegte und etwas unternahm, wollte ich ihr zuvorkommen. Eine genügend große Standfestigkeit hatte ich mittlerweile erreicht und konnte auch meine Stützhand vom Fenster lösen.
Das Risiko ging ich noch nicht ein. Ich wollte etwas herausfinden und hob deshalb meinen rechten Arm an.
Jetzt ärgerte ich mich, dass ich das Kreuz nicht schon vorher in die Seitentasche gesteckt hatte. So musste ich es erst hervorholen und merkte, wie es an der Brust nach oben rutschte.
Tamara ließ mich gewähren. Wahrscheinlich war auch sie gespannt, doch sie traute sich nicht näher an mich heran. Sie wartete und lauerte zugleich.
Endlich rutschte das Kreuz aus dem Kragen hervor. Ich streifte die Kette nicht über den Kopf, sondern ließ den Talisman offen vor meiner Brust hängen.
Als wäre er von einem Sonnenstrahl getroffen worden, blitzte er plötzlich auf. Das Funkeln erreichte auch Tamara und dabei verzog sich ihr Gesicht vor Wut. Dabei blieb es nicht. Ein schriller Laut drang mir entgegen. Der Klang besaß irgendetwas Sphärisches. So konnte ein Mensch kaum schreien.
Ich fühlte mich plötzlich geschützt und aufgewertet. Es war möglich, dass sich das Schicksal dieser Tamara jetzt und hier entschied, denn nun musste sie handeln.
Nein, sie griff nicht an. Aber ich erlebte trotzdem eine Überraschung, denn ich wurde angerufen.
Aber nicht von ihr, sondern von einer anderen Stimme, die schärfer und auch dunkler war, denn sie gehörte einer ganz anderen Person.
»Sinclair!«
Ich hörte nur meinen Namen. Ich sah niemanden. Der Schrei gellte durch meinen Kopf, aber ich wusste, wer ihn abgegeben hatte, denn ich hatte die Stimme erkannt. Belial, der Engel der Lügen!
Also doch! Ich hatte es gewusst. Tamara war nicht auf eigene Rechnung unterwegs. Hinter ihr stand jemand, dessen Befehle sie ausführte. Nicht sie heilte, sondern Belial, und er, der Engel der Lügen, war eine Gestalt, die die Wahrheit verachtete, die nur durch die Lüge existierte und selbst so etwas wie eine große Lüge war.
Ich sah ihn nicht, aber ich schaute nach vorn. Es konnte sein, dass er sich mit Tamara vereinigt hatte, doch sie sah aus wie immer. Sein monströses Gesicht zeichnete sich nicht vor dem ihren ab.
Wind fegte heran. Diesmal war die Bö besonders schlimm. Sie
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