1256 - Belials Bann
er hat es getan.«
»Also Belial?«
»Du weißt gut Bescheid.«
»Das habe ich so an mir.« Karina holte tief Luft vor der wichtigsten Frage. Die Antwort darauf war für sie wichtiger als das Mordgeständnis.
»Du hast Jamina entführt - oder?«
»Ja, das musste ich tun.«
»Wo ist sie?«
»Oh, gar nicht weit entfernt. Aber ich habe die Kleine übergeben, denn ich muss zuvor noch etwas regeln. Sie ist mir praktisch etwas schuldig geblieben. Ich habe es nicht geschafft, meine Schwäche ausgleichen zu können, und das werde ich jetzt bei dir ändern.«
»Was heißt das?«
»Ich werde dich von deiner Lebenskraft befreien. Nicht mehr und nicht weniger. Ich werde über dich kommen, und dich einfach leer saugen. Das muss ich tun. Du bist das Opfer. Die Mutter habe ich leben lassen, denn ich musste einsehen, dass du für mich gefährlicher bist.«
»Ich soll also sterben?«
Tamara nickte ihr zu. »Ja, so ist es.«
»Und du glaubst, dass ich dies wehrlos über mich ergehen lasse?« Jetzt konnte Karina sogar lachen.
»Kannst du dir nicht vorstellen, dass auch ich irgendwelche Rückversicherungen getroffen habe?«
»Doch, ich weiß, dass du nicht allein gekommen bist. Aber damit haben wir gerechnet.«
»Wo ist das Kind?«
»Nicht bei mir!«
»Hat Belial es?«
»Ja!«
»Und wo finde ich ihn?«
»Er ist immer da. Er überschaut alles. Er hat den Blick für Vorder- und Hintergründe.« Sie lächelte jetzt starr. »Er hat mich praktisch erschaffen, denn ich gehöre zu ihm und zu seiner Welt. Das solltest du nicht vergessen. Und er ist stärker als du und ich zusammen.«
»Ich will ihn sehen!«, erklärte Karina mit harter Stimme. »Ich will ihn und das Mädchen sehen.«
Tamara schüttelte den Kopf. »Nein, nicht so, Karina. Es liegt an ihm, wann er sich zeigt.«
»Gut, dann werde ich ihn zwingen.«
»Ach ja?«
»Und zwar so.« Karina Grischin hatte das Ziehen der Waffe unzählige Male geübt. Die Heilerin kam überhaupt zu keiner Reaktion, als Karina die Waffe hervorholte. Vielleicht wollte sie es auch nicht, denn sie hockte auf ihrem Platz und schaute einfach nur gelassen zu.
Auch als die Mündung gegen ihren Kopf zeigte, da änderte sie ihr Verhalten nicht. Nur die Lippen verzogen sich zu einem amüsierten Lächeln.
»Was würde Belial wohl tun, wenn ich dir jetzt eine geweihte Silberkugel in den Kopf schieße?«
»Ich weiß es nicht!«
Die Gelassenheit der jungen Heilerin störte Karina. Tamara war ihrer Sache mehr als sicher, und ihr Lächeln wurde noch abfälliger. Das Blut stieg der Russin in den Kopf. Sie hasste dieses Unentschieden der Lage und musste sich zusätzlich noch die Provokation ihrer Feindin anhören.
»Willst du nicht schießen? Willst du es nicht darauf ankommen lassen? Es wäre zumindest für dich eine Lösung.«
»Ja, ich hätte die Menschheit von einer Pestbeule befreit.«
»Vergiss nie, wer die Menschen geheilt hat.«
»Aber um welch einen Preis.«
»Das musste so sein. Denjenigen, die geheilt worden sind, war es egal.«
Karina verengte leicht die Augen. Die Waffe bewegte sich um keinen Millimeter. »Die Heilungen hat es gegeben, das stimmt. Es stimmt ebenso, dass du sie durchgeführt hast. Aber du hast die Menschen nicht von ihren Krankheiten befreit, weil du Mitleid mit ihnen hattest. Es steckte etwas anderes dahinter. All deine Heilkunst beruhte auf einer Lüge, verstehst du? Aus einer verdammten Lüge.«
»Schau sie dir an. Sprich mit ihnen. Sie werden dir schon etwas anderes erzählen.«
»Nein, ich will dich. Und ich will das Kind.«
»Ich habe es nicht.«
»Das weiß ich. Dann zeig mir den Weg zu diesem verfluchten Lügenengel Belial.«
Tamara blieb gelassen. »Ich brauche ihn dir nicht zu zeigen, denn Belial ist hier.«
»Und wo?«
»Dreh dich um!«
Karina Grischin wusste nicht, ob es eine Finte war. Sie traute Tamara alles zu, und sie drehte sich zuerst nicht. Sie wollte an den Augen der Heilerin ablesen, ob sie log oder nicht. Deshalb konzentrierte sie sich auf das Gesicht. Und sie stellte etwas Merkwürdiges fest. Ihre Umrisse waren noch vorhanden, aber sie sahen aus wie ausgedünnt. Ein Körper ohne »Fleisch« saß vor ihr, und sie musste daran denken, dass Tamara es auch schaffen konnte, sich aufzulösen.
Das war einfach unglaublich…
»Willst du ihn nicht sehen?«, flüsterte Tamara. Ihr Gesicht wirkte jetzt so anders. Beinahe mit einer Strichzeichnung zu vergleichen. Die Weichheit in den Zügen hatte stark nachgelassen. Es konnte durchaus sein,
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