1258 - Der Leichen-Skandal
den Kopf. »Obwohl sie zuvor mit dem Tod konfrontiert wurden, sind sie noch so gut drauf, dass sie irgendwelches Zeugs kaufen. Das ist der reine Wahnsinn. Ich könnte das nicht, wenn ich ehrlich sein soll. Aber jeder ist eben anders.«
»Da sagen Sie was. Kann man denn rein?«
»Sie müssen schellen.«
»Okay, machen wir.«
»Aber beeilen Sie sich. Der Rundgang ist bald beendet. Und für drei Personen zieht Frost keinen neuen durch.«
»Das wäre auch nicht rentabel«, meinte Suko.
Wir zogen uns zurück, und der Fahrer zündete sich eine neue Zigarette an. Er qualmte ein paar Wolken, dann stellte er das Radio wieder laut.
Helen Carver ging zwischen uns. »Was habe ich Ihnen gesagt? Es ist alles so, wie ich es erzählt habe.« Sie verzog ihren Mund zu einem breiten Grinsen. »Die Welt ist doch sehr bunt, nicht wahr? Selbst die der Toten.«
»Stimmt«, sagte Suko.
Mir fiel etwas auf, worüber ich schon nachgedacht hatte. Erst in der Nähe des Baus kam es mir wieder in den Sinn. Das Krematorium besaß kein einziges Fenster.
Zumindest nicht an der Seite, die in unserem Blickfeld lag. Wie es woanders aussah, wusste ich nicht.
Ich fragte Helen Carver danach.
»Darauf habe ich nicht geachtet, Mr. Sinclair. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass der gesamte Bau fensterlos ist. Die Luft wird klimatisiert den Menschen zugeführt. Man erlebt auch keinen Leichengeruch, sondern mehr einen angenehmen Duft, den man fast schon mit dem Wort frühlingshaft umschreiben kann.«
»Wer will schon den Tod riechen?«
»Genau, Mr. Sinclair.«
Eine große Tür bildete den Eingang. Sie war natürlich verschlossen. Während die Außenfassade eine graue Betonfarbe aufwies, die an einigen Stellen einen schon leicht grünlichen Schimmer bekommen hatte, präsentierte sich die Tür in einem dunklen Braun. Es war eine sehr weiche Farbe, und ihr fehlte auch der Lack.
Wer eintreten wollte, musste den Knopf einer Klingel drücken, was ich sofort tat. Helen Carver stand neben mir. Ich hörte ihre hektischen Atemgeräusche.
»Nervös?«, fragte ich.
»Ja, das bin ich. Nicht nur das, Mr. Sinclair. Ich habe sogar etwas Angst.«
»Das kann ich mir denken. Nach Fröhlichkeit steht auch mir nicht eben der Sinn.«
Es wurde nicht sofort geöffnet. Allerdings brauchte ich auch nicht ein zweites Mal zu schellen, denn jemand zog die Tür auf und hielt sie dann fest. Ein Mann füllte einen Teil des Spalts aus.
»Das ist nicht Frost«, flüsterte Helen.
»Wer dann?«
»Einer seiner Mitarbeiter.«
Der Typ gefiel mir nicht. Ich wollte nicht voreingenommen sein, aber zwischen uns stimmte die Chemie nicht. Er sah mehr nach einem Bodyguard aus. Sein Haar war so gut wie abrasiert worden. Er trug eine graue Jacke mit einem sehr hoch angesetzten Revers und dazu die passende graue Hose.
Sein Hemd war ebenfalls grau, aber dunkler. Aufgrund der Glätte konnte man sein Gesicht als nichts sagend beschreiben, und in den Augen lag ein kalter Blick.
»Sie wünschen?«
»Ein Gespräch mit Mr. Frost«, sagte Suko.
»Er hat zu tun.«
»Aber nicht mehr lange - oder?«
Der Typ schaute auf seine, Uhr. »Nein.«
»Dann warten wir gern.«
Wir waren gespannt, ob er auf den Vorschlag einging. Er schaute in den folgenden Sekunden nicht uns an, sondern auf die Leinentasche, die Helen Carver trug.
»Es geht um ein Geschäft«, machte ihm Suko seine Entscheidung schmackhafter.
Der Mann nickte. »Kommen Sie rein.«
Sekunden später betraten wir die Höhle des Löwen. Als dann die Tür wieder zuschlug, hatten wir das Gefühl, lebendig begraben zu sein…
***
Der Förster Dick Paine hatte nicht den normalen Weg genommen, um sein Ziel zu erreichen, er hatte sich quer durch das Gelände geschlagen und dabei den direkten Weg genommen, was allerdings auch der schwierigere war, denn er musste den Abhang hinab.
Für Rowdy kein Problem, für ihn allerdings eines, denn es gab zahlreiche glatte Stellen, auf denen er leicht ausrutschen und das Gleichgewicht verlieren konnte.
Aber es klappte recht gut, und so atmete er schließlich auf, als er über den schmalen Graben am Fußende des Abhangs hinwegsprang und wieder ebenes Gelände unter sich hatte.
Paine wollte nicht durch den Ort gehen, um das Krematorium zu erreichen. Er kannte sich in dieser Gegend sehr gut aus und nahm deshalb einen Weg, der ihn außen herum führte, sodass er direkt den Betonklotz erreichte. Rowdy lief neben ihm her. Obwohl er nicht mehr an der Leine war, blieb er bei Fuß. Er schien seinen Herrn
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