1258 - Der Leichen-Skandal
stimmt.«
»Können wir ihn…?«
»Er ist oben.«
»Ah ja.« Ich wandte mich mit einem unangenehmen Gefühl von dem Feuerofen weg und schaute Helen Carver und Suko an. »Das ist es hier unten gewesen. Ich denke, wir haben genug gesehen.« Ich zwinkerte den beiden zu, damit sie merkten, dass ich noch etwas mehr im Sinn hatte.
»Ja«, sagte Helen Carver, »das ist gut. Ich möchte nicht mehr hier unten bleiben. Es ist wohl nur etwas für Menschen, die weniger sensibel sind als ich.«
»Das können Sie nicht unbedingt behaupten«, meinte Dave Frost. »Sie glauben gar nicht, wie locker die Besucher hier unten oft sind. Sie sehen das mit anderen Augen. Jedenfalls deuten ihre Bemerkungen darauf hin. Vielen scheint es lieber zu sein, wenn sie verbrennen, als in der kalten Erde von Würmern gefressen zu werden.«
»Obwohl sie ja da auch nichts merken«, sagte Suko.
»Weiß ich auch. Es ist eben eine Sache der Vorstellungskraft. Und die ist bei den Menschen grundverschieden.« Frost deutete auf die offen stehende Tür. »So, dann werden wir jetzt diese Stätte verlassen und wieder nach oben fahren. Dort ist dann unsere Besichtigungstour beendet. Falls Sie noch Fragen haben, schreiben Sie die bitte auf und schließen sich einer Busgesellschaft an. Da habe ich dann mehr Zeit für Sie, um auch auf Einzelheiten einzugehen.«
Ich warf noch einen letzten Blick zurück in den Verbrennungsraum. Beim Anblick der Öfen hatte ich ein unbehagliches Gefühl, ebenso bei dem der Werkzeuge. Es ist nicht jedermanns Sache, sich in einer derartigen Umgebung wohl zu fühlen oder gelassen zu bleiben.
Helen Carver hielt den Kopf gesenkt. Wir hörten, dass sie einige Male die Nase hochzog. Wahrscheinlich dachte sie an ihren verstorbenen Mann, der auch hier unten verbrannt worden war, deren Asche sie aber nicht bei sich trug, sondern eine ganz andere Masse. Auf dieses Thema hatten wir Frost noch nicht angesprochen.
Es ging uns besser, als wir den Lift verließen. Ein tiefes Durchatmen, Erleichterung, das Lachen des Chefs.
»Wenn die Besucher aus dem Reich der Toten zurück sind, dann geht es ihnen immer gut. Danach haben die meisten von ihnen Kaffeedurst. Die Fahrt führt anschließend zu einem Lokal, in dem sie dann bei Kaffee und Kuchen über alles reden können. So ist das nun mal. Die Menschen wollen eben auch die angenehmen Seiten des Lebens wieder erleben.«
Er wollte zur Tür gehen, aber Helen Carvers Stimme hielt ihn auf. »Eine Sache möchte ich da noch klären.«
»Ja bitte?«
Bevor sie etwas sagen konnte, mischte ich mich ein. »Ich wollte da auch noch etwas wissen, Mr. Frost. Sie haben vorhin von einer Kapelle gesprochen oder von einem Raum des Abschieds.«
»Das habe ich.«
»Können wir ihn sehen?«
Er lächelte. Wieder falsch. »Ja und nein«, erklärte er, »kommen Sie später wieder. Ich habe wirklich keine Zeit mehr für Sie, das müssen Sie verstehen. Der Raum ist auch nichts Besonderes. Sie werden sicherlich die Stätten an den Friedhöfen kennen. Die Trauerhallen sehen ähnlich aus. Es gibt Stühle, ein Podest, auf dem der Sarg steht. Durch eine Hydraulik kann er nach unten in den Verbrennungsofen geleitet werden. Das ist eigentlich alles.«
»Und wo befindet sich die Kapelle?«, fragte Suko.
»Hinter dieser Tür.« Er deutete auf die Wand, an der sich eine zweiflügelige Tür abzeichnete.
»Schon gut.«
»Danke, dann…«
»Nein, nein, Mr. Frost«, mischte sich Helen Carver ein. »Ich habe da noch ein kleines Problem.«
»Bitte, aber schnell.« Frost verdrehte die Augen.
Helen hatte mittlerweile das Einmachglas aus der Tragetasche geholt. Sie hielt es in der Hand und streckte es dem Chef des Krematoriums entgegen. »Sie kennen den Inhalt?«
»Ha, er sieht aus wie Asche«, erwiderte Frost leicht amüsiert.
»Richtig, er sieht so aus. Eigentlich sollte es die Asche meines Mannes sein. Ich habe ihn hier kremieren lassen und die Urne später abgeholt. Nur komisch, dass ich plötzlich misstrauisch geworden bin, Mr. Frost. Ich habe sie chemisch untersuchen lassen, und raten Sie mal, welches Ergebnis die Analyse gebracht hat.«
Frost gab sich noch immer locker. Aber der Ausdruck seiner Augen hatte sich verändert. Er schaute die Frau jetzt misstrauisch an. »Woher soll ich das denn wissen?«
»Sie haben meinen Mann schließlich verbrannt.«
»Ja, und das reicht aus. Unsere Geschäftsbeziehung ist beendet, Mrs. Carver.«
Helen zeigte ihren Dickkopf. »Das genau ist nicht der Fall. Jedenfalls hat die
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