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126 - Hinter der Grenze

126 - Hinter der Grenze

Titel: 126 - Hinter der Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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zurückgeblieben; Simon, weil er die Sprache der Wandernden Völker nicht beherrschte, Fiona, um ihn unter Kontrolle zu halten.
    »Wieso haben sie uns angegriffen?«, fragte Maddrax. Er sprach ebenfalls sehr deutlich. Aruula war stolz, dass man kaum noch einen Akzent in seiner Sprache hörte.
    Teggar warf einen Ast ins Feuer. »Weil in diesem Dorf Tiere leben, keine Menschen.«
    Die Dorfbewohner nickten und murmelten zustimmend. Ihr Chiiftan holte tief Luft.
    »Sie fressen sich sogar gegenseitig auf«, sagte er mit rauer Stimme.
    »Es sind Kannibalen?« Jed lehnte sich vor. Er wirkte fasziniert. »Heißt das, sie wollten uns nicht vertreiben, sondern essen?«
    Seine Reaktion schien Teggar zu verstören. »Kein Fremder ist vor ihnen sicher«, betonte er. »Sie überfallen wandernde Stämme, reißen Menschen wie wilde Tiere. Wir schützen uns so gut es geht vor ihnen, aber manchmal erwischt es auch einen von uns. Und wenn sie niemanden finden, bringen sie sich gegenseitig um. Dann trägt der Wind ihre Schreie über den See.«
    Teggar senkte den Kopf. Aruula war sicher, dass die Schreie der Sterbenden wie ein Echo in seinem Kopf widerhallten.
    »Unsere Waffen konnten ihnen nichts anhaben«, sagte Maddrax.
    »Ich weiß. Man muss ihnen den Kopf abschlagen, nur so kann man sie besiegen. Niemand weiß, warum.«
    »Wieso bleibt ihr?«, fragte Aruula. »Wieso geht ihr nicht an einen Ort, wo ihr in Frieden leben könnt?«
    »Weil es keinen anderen Ort gibt als diesen.« Die Antwort kam nicht von Teggar, sondern von einer Frau, die an der hinteren Wand hockte. Ihre langen Haare waren verfilzt und so dreckig, dass sich die Farbe nicht einmal mehr erahnen ließ.
    Sie hatte ihren nackten Körper mit einer Schicht aus Fett und Kohlenstaub eingerieben. Nur Augen und Zähne leuchteten weiß.
    »Es gibt viele andere Orte«, sagte Aruula.
    »Nicht für uns.« Die Frau stand in einer geschmeidigen Bewegung auf, die ihre Jugend verriet. Zwei Männer, die vor ihr hockten, rutschten respektvoll zur Seite. Aruula hatte keinen Zweifel, dass es eine Schamanin, eine Heilige Frau war.
    »Wir«, fuhr sie fort, »sind an den Hüter im See gebunden. Nur in seiner Nähe finden wir unser Leben. Getrennt von ihm fallen wir in ewige Dunkelheit.«
    »Gelobt sei der Hüter«, murmelten die anderen Dorfbewohner im Chor.
    »Hat der Hüter einen Namen?«, fragte Jed.
    Für einen schrecklichen Moment glaubte Aruula, die Schamanin würde »Orguudoo« sagen, doch sie schüttelte nur den Kopf. »Wie kann man dem einen Namen geben, der allumfassend ist? Diese Weisheit besitzt niemand.«
    »Und wie ist es mit dir?«, fragte Jed weiter. Seine Stimme klang sanft. »Hast du einen Namen?«
    Die Frage schien sie zu überraschen. Bevor sie jedoch antworten konnte, sagte Teggar: »Unsere Sitten müssen euch seltsam erscheinen. Lasst uns nicht zu viel Zeit damit vergeuden. Feiern wir lieber euer Überleben und unsere neue Freundschaft.«
    Er klatschte in die Hände. Zwei Männer trugen ein Fass durch die Tür ins Innere des Raums. Der Geruch nach Alkohol war so scharf, dass Aruula husten musste.
    »Wir nennen dieses Getränk Uiskee.« Teggar lachte und breitete die Arme aus. »Der Hüter und der Uiskee erhalten uns am Leben.«
    Die Dorfbewohner stimmten in sein Lachen ein. Ihre Fröhlichkeit wirkte verkrampft.
    Was verbergen sie?, fragte sich Aruula. Wo sind die Kinder, wo die alten Leute?
    Sie fing Maddrax' Blick auf und las darin die gleichen Fragen.
    ***
    »Was verbergen sie?«, fragte Matt. Er hatte auch im Namen der restlichen Besatzung Teggars Angebot, im Dorf zu übernachten, abgelehnt. Der EWAT war nicht nur bequemer, sondern vor allem sicherer.
    Und frei von Ungeziefer, dachte Matt. Er lehnte sich gegen den Pilotensitz. Von draußen waren sie dank der getönten Kuppel nicht zu sehen, hatten aber den Vorteil, die Reaktionen der Dorfbewohner beobachten zu können. Die hatten enttäuscht gewirkt, als ihre Gäste das Fest so rasch verließen. Nur wenige Minuten länger waren sie in der Gemeinschaftshütte geblieben, bevor sie sich im Dorf zerstreuten.
    »Sie spielen uns etwas vor«, sagte Aruula mit einem Blick nach draußen. »In diesem Dorf gibt es keine Freude.«
    »Ich wäre auch nicht sehr fröhlich, wenn ständig Kannibalen vor meiner Tür stünden.« Das war die erste sinnvolle Bemerkung, die Lansdale seit Beginn der Reise gemacht hatte.
    Matt nickte. »Wenn die Geschichte stimmt.«
    »Sie würde zumindest erklären, weshalb die Dorfbewohner wie im

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