126 - Ihr Mann, die Fliege
Fliegenmensch! Nein, diesen Wunsch konnte sie Jeremy unmöglich erfüllen.
»Erspare es mir, dich zu deinem Glück zu zwingen, Sabrina«, knurrte Jeremy.
»Das würdest du nicht tun, du liebst mich doch.«
»Ich empfinde jetzt anders, Sabrina. Nicht nur mein Äußeres hat sich verändert.«
O ja, sie glaubte es in seinen riesigen Augen zu sehen. Es war ihm sehr ernst mit dem, was er sagte. Wenn sie das Elixier nicht freiwillig trank, würde er Gewalt anwenden.
Er war immer schon stärker als sie gewesen, doch in diesem Moment strotzte er geradezu vor Kraft. Es war leicht für ihn, ihr seinen Willen aufzuzwingen.
In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie hätte nie gedacht, einmal Angst vor Jeremy haben zu müssen. Nie hätte sie es für möglich gehalten, daß er einmal ihr Feind sein würde.
Sie konnte sich nicht erklären, wie es möglich war, daß aus einem Menschen so ein Monster wurde. Es stand lediglich fest, daß es diesen Leuten, zu denen Charles Weathers gehörte, gelungen war, ein Elixier zu schaffen, das diese grauenvolle Umwandlung bewirkte.
»Versuch’s erst gar nicht«, sagte Jeremy kopfschüttelnd.
Sabrina erschrak. »Was meinst du?«
»Du möchtest fliehen. Ich lasse dich nicht raus. Du bist meine Frau und bleibst es.« Er setzte sich langsam in Bewegung. »Ich möchte in dir keinen Feind sehen, Sabrina.«
Sie wich zurück. »Was… was würdest du in diesem Fall tun?«
»Besser, du erfährst es nicht.«
Sabrina kreiselte herum und rannte durch das Zimmer. Sie warf hinter sich einen Tisch und zwei Stühle um, hoffend, daß Jeremy darüber stürzte. Es gelang ihr, den Living-room zu verlassen und sich in der Gästetoilette einzuschließen, aber Augenblicke später begriff sie, daß sie sich damit selbst ausgetrickst hatte.
Das Fenster war vergittert. Hier gab es kein Entkommen, und an der Tür rüttelte Jeremy.
Er schrie, sie solle aufschließen, drohte, die Tür einzutreten. Sabrinas Herz schlug bis zum Hals hinauf.
Gehetzt blickte sie sich um. Womit konnte sie sich Jeremy vom Leib halten? Es gab hier drinnen nichts, womit sie sich hätte bewaffnen können.
Jeremys Zorn wurde immer größer »Du machst jetzt sofort die Tür auf!« brüllte er, »Nein!« schrie Sabrina. »Geh weg!«
Da begann er, gegen die Tür zu treten, und er war ungemein stark. Innerhalb weniger Minuten war die Tür geborsten. Jeremy riß sie zur Seite und stürzte sich auf seine Frau.
Sabrina schrie und versuchte, ihn mit beiden Händen von sich zu stoßen, doch er fegte ihre Arme beiseite und zerrte Sabrina aus der Toilette.
Sie hatte grauenvolle Angst, weinte, doch Jeremys Herz war aus Stein, »Bitte, Jeremy!« schluchzte Sabrina. »Tu mir das nicht an!«
Er hörte nicht auf das, was sie sagte, schleifte sie ins Wohnzimmer und warf sie auf ein Sofa. Sabrina hatte weder die Kraft noch den Mut, sich noch einmal zu erheben.
Jeremy holte das Elixier - und sie trank es.
Bereits nach dem ersten Schluck war ihr alles egal. Sie leistete keinen Widerstand mehr. Es machte ihr nichts mehr aus, so zu werden wie Jeremy.
Im Gegenteil, je mehr sie von dem roten Saft trank, desto versessener war sie darauf.
Kaum hatte sie das Glas geleert, da spürte sie, daß etwas Geheimnisvolles mit ihr vorging. Jeremy nahm ihr das Glas aus der Hand und drückte sie an sich, und sie spürte einen magischen Funken von ihm auf sich überspringen.
Sie hielt still und horchte in sich hinein. Nahezu alles veränderte sich, ihr Denken und Fühlen, die Sinne. Was vor wenigen Augenblicken noch wichtig gewesen war, glitt jetzt in Bedeutungslosigkeit ab.
Dafür wurde anderes wichtig. Vieles bekam einen neuen Stellenwert in ihrem anderen Leben. Ganz ruhig war sie geworden, und als Jeremy sie losließ, stand sie auf und begab sich zum venezianischen Wandspiegel, Links und rechts davon gab es kleine Lampen, die schaltete Sabrina an, um sich im Spiegel besser sehen zu können. Sie erschrak nicht, als sie den häßlichen Fliegenkopf auf ihren Schultern sah.
Sie hatte gewußt, was der Spiegel ihr zeigen würde, und nun erforschte sie neugierig dieses neue Aussehen. Es war ein aufregendes Erlebnis für sie.
Nachdem sie sich lange im Spiegel betrachtet hatte, wandte sie sich ihrem Mann zu und sagte; »Nun gehören wir wieder zusammen. Bist du zufrieden, Jeremy?«
»So und nicht anders wollte ich es«, gab er zurück.
Er begab sich zu ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern.
»War es nicht töricht von dir, dich so zu wehren?«
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