126 - Luziferas Horror-Maske
floss aus
allen Poren, sein Körper dampfte. Kantiger und ungelenker wurden seine
Bewegungen, schwerfälliger und kraftloser. Und er sah nicht, dass das alte Seil
dort, wo es auflag. immer mehr durchscheuerte. Das Material war morsch und
verwittert. Ohne Schwierigkeiten konnte damit noch der
volle Wassereimer in die Höhe gekurbelt werden, aber das Gewichteines Menschen
strapazierte die zusammengedrehten Fasern ungeheuer. Als Rickert noch drei
Meter vom Rand entfernt und ziemlich erledigt war. hielten nur noch acht dünne
Fasern des Seiles sein Gewicht.
Dann wurde der nächste Druck auf sie
ausgeübt. Wieder platzte eine Faser. Zwei Meter vom Brunnenrand entfernt
krachten drei weitere Fasern. Da erst merkte Rickert, an welch dünnem Faden im
wahrsten Sinn des Wortes sein Leben hing. Eine stählerne Zange schien im
gleichen Augenblick seinen Brustkasten einzuschnüren. Der Mann erstarrte, sah
das bis auf drei Fasern dünngescheuerte Seil, und panikartig überfiel ihn die
Angst. Unter ihm der gähnende Abgrund! Wenn er jetzt noch mal stürzte, gab es
nichts mehr, an dem er sich festkrallen konnte.
Er hörte, wie die Fasern knackten. Sie rissen ...
Rickert setzte alles auf eine Karte. Noch
drei Fasern hielten das Seil an dieser Stelle. Der Mann stemmte sich gegen die
Brunnenwand, holte weit aus und nahm noch mal seine ganze Kraft zusammen. Er
schnellte empor Nur Sekunden blieben ihm. Mit der Linken krallte er sich in den
steinernen Rand des Brunnens, während die Rechte noch das Seil umklammert
hielt, das plötzlich seltsam schlaff in seiner Hand lag und mit dem anderen
Ende gegen seinen Handrücken schlug. Dann erfolgte der Zug in die Tiefe.
Rickert ließ das Seil los und krallte auch seine Rechte in den Brunnenrand.
Sein Gesicht verzog sich vor Anstrengung, als er sich mit beiden Händen
emporzog. Unter ihm klatschte das durchgescheuerte Seil ins Wasser. Ein leises,
fernes Platschen war zu hören ...
Ausgepumpt und am ganzen Körper wie Espenlaub
zitternd, rutschte Martin Rickert über den Brunnenrand, ließ sich kopfüber
einfach zu Boden gleiten und blieb minutenlang erschöpft, schweratmend und mit
rasendem Herzschlag liegen.
ln letzter Sekunde geschafft! Am liebsten
wäre er liegen geblieben. Doch die Gefahr, dass die Gestalt mit der
Horror-Maske erneut auftauchte, war groß. Rickert wusste, dass er diesmal keine
Reserven mehr hatte, um sich noch mal zur Wehr zu setzen. Er raffte sich auf,
taumelte durch den finsteren Hinterhof, an dem Schuppen, dann an den Ställen
der toten Ziegen und Hühner vorüber und torkelte durch das Tor hinaus in die
Nacht. Er sah sich nicht mehr in der Finca um und wollte sie so schnell wie
möglich hinter sich bringen. Hier hauste wirklich ein wahnsinniger Mörder -
oder der leibhaftige Teufel!
Rickert hatte kein Interesse daran, weder dem
einen noch dem anderen erneut zu begegnen. So schnell es seine Verfassung
zuließ, eilte er den Hügel hinab und ließ die Finca hinter sich. Er wollte
unter Menschen sein, vor allem die Polizei anrufen. Was dort oben in dem alten
Gutshaus passiert war, musste näher untersucht werden und zwar umgehend. Martin
Rickert lief querfeldein. In der Dunkelheit vor ihm zeichneten sich die Umrisse
der Werkstatt und des Wohnhauses der Molino-Geschwister ab. Schon von weitem
sah er die transportable Neonröhre auf dem Boden liegen. Aber keine Spur von
Pedro Molino und seiner Schwester.
„Senor! Senorita!“, rief er schon aus einiger
Entfernung. Im Haus war es dunkel. Niemand antwortete ihm. Er riss die Tür auf
und lief in die Küche. Zwischen Küche und erstem Stock hing ein altmodisches,
schwarzes Wandtelefon. Da niemand da war, den er um Erlaubnis fragen konnte,
hob er einfach ab und wollte die Nummer seiner Wohnung in Malaga wählen, um
seiner Freundin dort Bescheid zu sagen, dass sie sich keine Sorgen um ihn
machen sollte und dass er später als vorgesehen nach Hause kommen würde. Danach
wollte er sofort die Nummer der zuständigen Polizeidienststelle für Elmusio
anrufen. Die lag in der nächstgrößeren Ortschaft, rund fünfzehn Kilometer
entfernt. Aber Rickert konnte weder das eine noch das andere tun: Die Leitung
war tot. Und er erkannte auch, wieso ...
Das Kabel, das vom Apparat lose nach unten
hing und in einer schmutzigen Anschlussdose in der gekalkten Wand verschwinden
sollte, war durchgeknabbert! Offenbar von Mäusen oder Ratten.
Rickert war ratlos. Er wusste genau, dass
sein Freund Hans Mendeler heute noch aus diesem Haus angerufen
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