1261 - Devolution
Wanderung.
Die V'Aupertir tragen all ihre Erfahrungen und ihren Wissensschatz zum Thema zusammen. Die letzte Wahrheit wird dabei nicht gefunden, das sei vorweggenommen, aber das Bild rundet sich ab.
Und dies ist die Erkenntnis, die Llyn'Vough und die anderen V'Aupertir gewinnen: Es war vor -zig Millionen Jahren, daß im Universum die Ära der humanoiden Lebensformen begann. Es haben sich auch Zeugnisse für noch ältere humanoide Sauerstoffatmer gefunden, aber die waren die Ausnahme: die Regel waren nichtmenschliche Existenzen. Doch in jener Zeit, als auch die Geburtsstunde der V'Aupertir schlug, da ging die Zeit der fremden Lebensformen dem Ende zu.
Es zeigt sich hier eine Gesetzmäßigkeit ab, die auf irgendeine universelle Kraft schließen läßt, die zu gewissen Zeiten ganz bestimmte Lebensformen fördert. Vielleicht, so sagt Llyn'Vough, werden in 100 Millionen Jahren Methanatmer bevorzugt, aber jetzt erleben die humanoiden Sauerstoffatmer ihre Blütezeit.
Der Gedanke, daß es irgendwo - noch unsichtbar und unerreichbar - eine Macht gibt, die die Lebenszyklen des Universums steuert, fasziniert die V'Aupertir dermaßen, daß sie beschließen, sich auf die Suche nach diesem Schöpfungsmechanismus zu begeben.
Und damit beginnt das Zeitalter der Wanderung erst wirklich. Hat man zuvor nach den sichtbaren, greifbaren und wissenschaftlich belegbaren Zeugnissen des universellen Schöpfungsprogramms gesucht, so versucht man nun ins Unsichtbare vorzudringen.
Das erfordert neue Philosophien. Neue Techniken müssen entwickelt werden. Und die V'Aupertir müssen auch ihrem Geist eine neue Dimension geben, um mit den auf sie einströmenden Erkenntnissen Schritt zu halten.
Aber je weiter sie in die unbekannten Bereiche vordringen, je mehr Teilantworten sie erhalten, desto mehr Fragenkomplexe ergeben sich daraus, so daß ihre Forschungsergebnisse immer nur Stückwerk bleiben.
Manchmal drohen die V'Aupertir an der Größe ihrer selbstgestellten Aufgabe zu scheitern. Aber stets hilft ihnen der Ehrgeiz, den toten Punkt zu überwinden, zäh und verbissen streben sie dennoch vorwärts, auch wenn das Ziel in den Nebeln des Ungewissen zu verschwimmen droht. Und es ist ihr unstillbarer Wissensdurst, der ihnen die Trägheit des Geistes zu überwinden hilft. Und die Zusammenkünfte bei Gaud'Apaug sind eine gute Therapie für die Schwachen, die längst schon alle Hoffnung aufgegeben haben. Sie helfen sich gegenseitig und bilden schon in dieser Zeit ein starkes Gruppenbewußtsein.
Und obwohl sie ihr Ziel nicht erreichen und sich nur ein Halbwissen über die lenkenden Kräfte des Universums aneignen können, retten sie sich durch dieses Gruppenbewußtsein und ihre ungebrochene Sucht nach Wissen und Erkenntnis ins Zeitalter des Geistes.
Sie tun diesen entscheidenden Schritt, wiewohl sie die Überzeugung gewonnen haben, daß es das Universum für die nächsten -zig Millionen Jahre mit den humanoiden Sauerstoffatmern gut meint.
Doch ebenso sicher ist, daß das Ende auch dieser Saurier irgendwann kommen muß, und wenn es soweit ist, wollen die V'Aupertir ihrer Bestimmung nach Höherem nachgekommen sein. Sie glauben immer noch fest daran, daß sie dafür bestimmt sind, zu einer dieser lenkenden Kräfte des Universums zu werden; sie sehen sich als angehende Superintelligenz.
Und so sieht sich auch Llyn'Vough ...
*
Und während seine Gedanken über das nächsthöhere Zeitalter, das des Geistes, versandeten, er die damit verbundenen Erinnerungen vergeblich zu greifen versuchte, während er sich noch im Gefühl der werdenden Superintelligenz sonnte - da erwischte ihn der nächste Devolutionsschub voll und schleuderte ihn brutal auf die nächsttiefere Entwicklungsstufe.
Llyn'Vough wurde zu einem V'Aupertir des Zeitalters der Ersten Stille.
Seine Geisteshaltung wurde zu der eines eigenbrötlerischen Eremiten, der in völliger Isolation vom kosmischen Geschehen lebte.
Die mit der psychischen Rückbildung konform gehende Metamorphose machte aus dem Zwerg mit dem gewaltigen Gehirnvolumen einen großgewachsenen, feingliedrigen und langschädeligen Humanoiden.
Aber auch in dieser Phase behielt Llyn'Vough seine Identität bei. Er war sich vollauf bewußt, was mit ihm geschah, und kämpfte gegen die Devolution mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln an.
Nur daß seine Mittel etwas bescheidener geworden waren.
7.
Llyn'Vough war redseliger geworden.
„Wir sind gleich im Asteroidengürtel, Perry", sagte er laut,
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