1263 - Das Wissen der Toten
für ihren Bruder gesprochen, und der tat genau das, was ihm seine Schwester vormachte.
Mit einer fließenden Bewegung glitt er vor, und es sah so aus, als würde er: Alexa mit sich ziehen.
Beide verließen ihren Platz und drehten sich an dem Spiegel vorbei, damit sie freie Bahn bekamen.
Für Tara Jenkins war es die letzte Gelegenheit, die Flucht zu ergreifen, aber das schaffte sie nicht.
Das eigene Gewicht und auch die Angst drückten sie zurück gegen den Boden.
Jane Collins wollte es nicht bis zum Letzten kommen lassen. Noch hatte sie einige Sekunden Zeit, um etwas zu unternehmen, und sie wartete auch nicht länger.
Bisher war sie nicht gesehen worden. Der schmale Raum zwischen den Büschen war noch finsterer geworden. Man hätte schon Argusaugen haben müssen, um sie zu erkennen.
Die Detektivin duckte sich leicht, denn sie wollte ein möglichst kleines Ziel abgeben. Um sich völlig zu befreien, musste sie noch einige Blätter zur Seite schieben und auch die dazugehörigen Zweige wegschieben. Mit dem nächsten Schritt hatte sie sich völlig befreit und sah, dass die Geschwister bereits einen Teil des Weges zurückgelegt hatten.
»Komm endlich, Mutter!«
»Das tun Sie besser nicht«, sagte Jane…
***
Bisher hatte die andere Seite für Überraschungen gesorgt. Das hatte sich nun gedreht. Mutter und Tochter waren so überrascht worden, dass sie sich in den folgenden Sekunden nicht mal bewegten.
Keiner von ihnen konnte mit dem Eingreifen einer dritten Person rechnen, auch wenn sie sich hätten fragen müssen, wer den Spiegel zum Grab hin transportiert hatte.
Daran dachte keiner von ihnen, und auch jetzt sahen sie aus, als hätten sie ihre Gedanken ausgeschaltet.
Jane hatte mit einer ähnlichen Reaktion gerechnet. Jetzt lag es an ihr, gewisse Dinge zu Gunsten der normalen Menschen zu ändern, und sie bewegte sich wie ein verzerrter Schatten am Rand des Grabs entlang, um neben Tara Jenkins wie eine Leibwächterin stehen zu bleiben.
Peter und Alexa schauten sie an.
»Du?«, stieß das Mädchen fassungslos hervor.
»Ja, Alexa, ich.«
»Du stehst auf ihrer Seite?«
»Nein, ich bin neutral. Und das verpflichtet mich dazu, ein Menschenleben zu retten. Ich kann nicht zulassen, dass deine Mutter von einem Geist geholt wird, damit er Rache für das nehmen kann, was ihm angeblich angetan worden ist.«
»Angeblich?«, schrie das Mädchen. »Er hat gelitten. Er hat gelitten wie ein Hund.«
»Das seelische Leid will ich nicht verdrängen, aber ich weiß auch, dass eure Mutter sich nicht in ihrer Haut wohl gefühlt hat. Kein Mensch verkraftet so etwas leicht. Es sei denn, er hat kein Gewissen. Lass die Geister, wo sie sind und hingehören, aber gesteh das Gleiche auch den Menschen zu.«
»Immer, Jane.«
»Super. Dann sind wir uns ja einig.«
Alexa schüttelte den Kopf. »Aber es gibt Ausnahmen, und meine Mutter ist eine solche. Peter will sie bei sich haben. Er möchte seine ewige Ruhe bekommen, und deshalb ist es wichtig, dass er gewisse Regeln einhält. Das musst auch du verstehen.«
»Ich versteh es, aber ich akzeptiere es nicht. Hier wird es kein menschliches Opfer geben, Alexa.«
Sie schüttelte den Kopf. Sie war borniert. Ihr Bruder hatte die Kontrolle übernommen, und das würde auch in der Zukunft so bleiben, denn Jane unterschätzte die Macht des Toten keineswegs.
Tara Jenkins hatte sich in den vergangenen Sekunden wieder etwas fangen können. Trotzdem klang ihre Stimme aufgeregt, als sie fragte: »Was sollen wir denn jetzt tun, Mrs. Collins?«
»Erst mal weg!«
»Und wohin?«
»Weg vom Grab!«
»Gut…«
Jane bewegte sich und baute sich vor Tara auf. »Gehen Sie jetzt langsam nach hinten. Sie kennen den Weg. Und dann laufen Sie einfach. Rennen Sie weg!«
»Und was ist mit Ihnen?«
»Ich bleibe hier.«
Tara Jenkins erschrak. »Bitte, das können Sie doch nicht tun. Das wird Sie das Leben…«
»Laufen Sie!« Janes Stimme hörte sich an wie eine Mischung aus Kratzen und Flüstern.
Jetzt endlich handelte die Schauspielerin. »Gott steh Ihnen bei!«, flüsterte sie noch.
Tara lief sehr schnell, das hörte Jane am Klang ihrer Schritte. Ihre beiden Kindern unternahmen nichts. Sie blieben stehen, als wären sie sicher, dass ihnen das Opfer nicht entwischen konnte.
»Warum hast du das getan?« fragte Alexa.
»Weil ich ein Menschenleben retten will. Kein normaler Mensch gehört ins Jenseits oder wohin auch immer. Sein Platz ist hier in dieser Welt, und das muss auch so bleiben.«
»Diesmal
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