1264 - Justines Geisel
und tunke das Kreuz in das flüssige Wachs.«
Glenda konnte nicht anders. Sie musste gehorchen. Als sie den ersten Schritt ging, hatte sie plötzlich das Gefühl, starke Bleigewichte mit sich zu tragen..
In ihrem Innern schrie es auf. Was tue ich John an? Wie kann ich nur sein Kreuz unbrauchbar machen? Das ist verrückt! Das kann ich mir nicht verzeihen…
Aber kam es noch so weit?
Justine Cavallo würde gnadenlos sein. Sie war eine Person, die alles durchsetzte. Bis zum bitteren Ende. Erst die Waffe eines Feindes vernichten und dann ihn selbst.
Die Glut besaß noch Kraft. Das spürte Glenda an ihren Beinen, als sie näher an die Feuerstelle herantrat.
Als es ihr an den Beinen zu heiß wurde, blieb sie stehen. Es war genau die richtige Entfernung, um auch in den Topf mit dem flüssigen Wachs hineinschauen zu können.
Sie sah Justine nicht. Aber sie stand hinter ihr, und sie würde auch weiterhin mit der Waffe auf sie zielen.
John hatte das Kreuz stets aktiviert. Glenda kannte die Formel. Plötzlich dachte sie an diese Möglichkeit und nahm sie auch als die einzig noch verbleibende Chance hin.
Sie straffte sich. Plötzlich fühlte sie sich besser, aber die Worte der blonden Bestie machten ihr Vorhaben sehr schnell wieder zunichte.
»Solltest du versuchen, die Formel zu rufen, werde ich dich töten. Schon bei der ersten Silbe schieße ich dir eine Kugel in den Kopf. Hast du das kapiert?«
»Sicher.«
»Dann wirf das Kreuz endlich in den Topf!« Auf einmal zeigte auch die blonde Bestie Gefühle. Ihre Stimme zitterte, in den Augen lag ein wildes Funkeln. Sie stand so dicht vor der Erfüllung eines Traums, da konnte sie gar nicht anders handeln. Nur der Revolver in ihrer rechten Hand zitterte nicht. Dessen Mündung wies nach wie vor auf die Frau, dessen Gesicht durch die erlittenen Anstrengungen gezeichnet war.
Glenda konnte nicht anders handeln. Vorbei war die Hoffnung, und sie streckte den rechten Arm aus, um die Hand über den Rand des Kessels zu bringen.
Das Wachs war noch immer heiß, obwohl auch die letzten Reste der Glut allmählich zusammensanken. Glenda merkte, wie der Hauch an ihrem Handgelenk entlangstrich wie der Atem aus der Hölle.
Sie schluchzte und schluckte zugleich. Sie kam sich schäbig vor. Wie eine Verräterin, aber es gab keinen anderen Weg.
John Sinclair sah sie nicht mehr. Er lag hinter ihrem Rücken. Sie hörte auch nichts von ihm. Kein Stöhnen, einfach nichts, das auf ein Erwachen seinerseits hingedeutet hätte.
»Lass es fallen!«
»Ja!«
Das Kreuz löste sich aus ihrer Hand, aber es fiel noch nicht in das heiße Wachs hinein. Die Kette rutschte noch über den Arm hinweg, erreichte das Handgelenk, glitt an den Fingern entlang - und löste sich von Glenda.
Sie erlebte alles wie in Zeitlupentempo. Plötzlich sah sie wieder klar, als hätte jemand über ihre Augen gewischt, und sie erlebte, wie das Kreuz gegen die Oberfläche fiel, aber zu schwer war, um auf ihr zu schwimmen. Ein schwerer Tropfen wurde in die Höhe gedrückt, dann hatte das heiße Wachs das Kreuz geschluckt.
Es verschwand in der Tiefe und schien sich dabei aufzulösen.
Im gleichen Augenblick peitschte das gellende Gelächter der blonden Bestie in Glendas Ohren…
***
Glenda schrie, aber sie schrie innerlich. Sie fühlte sich wie zerschlagen und taumelte von dem Kessel weg. Noch in der Bewegung drehte sie sich um und sah die Blutsaugerin.
Justine Cavallo bot einen Anblick, der die kalte Wut in Glenda Perkins hochtrieb. Sie lachte noch immer und schrie ihren Triumph hinaus. Dabei hatte sie den Oberkörper nach hinten gebogen und den Blick gegen die Decke gerichtet. Der Mund stand weit offen, als wollte sie nach irgendetwas schnappen. Glenda fiel auf, dass die beiden Vampirzähne an den Unterseiten leicht nach innen gebogen waren. An die Waffe dachte sie nicht mehr. Die Mündung wies zu Boden. Jetzt hatte Justine Cavallo, die blonde Bestie, ihr Ziel so gut wie erreicht.
Glenda war einfachunfähig, etwas zu unternehmen. Zwar blickte sie die Blonde an, aber der Blick war gleichzeitig ins Leere gerichtet. Am liebsten wäre sie losgelaufen, um der Cavallo ins Gesicht zu schlagen. Aber Glenda wusste, dass sie den Kürzeren ziehen würde. Es war nicht zu schaffen, einen Sieg über dieses Wesen zu erringen. Deren Kräfte konnten mit denen eines Menschen nicht verglichen werden, denn sie waren ihnen haushoch überlegen.
Das Gelächter stoppte abrupt! Doch auf dem Gesicht der Cavallo blieb das Lächeln zurück, das
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