1264 - Justines Geisel
sie das wunderbare Kreuz so dicht vor sich.
Sie merkte auch, dass sich das geweihte Silber leicht erwärmt hatte. Es spürte die Gefahr, es warnte sehr deutlich, aber Glenda war nicht in der Lage, es einzusetzen.
Als es auf ihrer Handfläche lag, richtete sich Glenda Perkins auf. Wieder merkte sie den Schwindel, und sie wusste selbst, dass sie bleich wie Hammelfett war. Ihre Lippen zitterten, ohne dass sie auch nur einen Ton hervorbrachte.
Wie im Zeitlupentempo drehte sich Glenda um.
Beide Frauen schauten sich an. Die blonde Bestie hielt noch den Revolver auf Glenda gerichtet.
»Das war schon mal sehr gut!« erklärte sie. »Aber es geht weiter, Glenda.«
»Was ist denn noch?«
»Gleich. Nur etwas Geduld. Denk immer daran, das Kreuz zu behalten. Es würde für dich tödlich enden, wenn du es plötzlich auf mich zuwerfen würdest.«
»Das weiß ich.«
»Dann ist es gut.« Justine wechselte ihre Blickrichtung, drehte leicht den Kopf und schaute zur Feuerstelle hin, in der die Reste der Glut glühten. Die Flüssigkeit in dem kleinen Topf war noch heiß.
Dass es kein Wasser war, hatte Glenda längst gesehen, aber sie konnte sich noch immer nicht vorstellen, was das genau zu bedeuten hatte.
Justine Cavallo öffnete den Mund, um ihr eine Erklärung zu geben, als etwas anderes geschah.
Nicht nur sie, sondern auch Glenda zuckte zusammen, als eine starke Explosion die Stille in dieser Umgebung erschütterte. Der Krach breitete sich aus, die Echos hallten durch die Luft, und ihre Ausläufer erreichten auch das Innere der Halle.
Glenda hatte sich unwillkürlich geduckt, um sich vor fliegenden Teilen zu schützen, aber das war nicht nötig.
Die Echos klangen wieder ab. Noch bevor es wieder still wurde, übernahm die Cavallo das Wort.
»So, der Erste ist vernichtet. Ich dachte es mir doch, aber ich bin schlauer.« Sie kicherte plötzlich wie ein Teenager.
Erst als sie nicht mehr lachte, stellte Glenda die Frage, obwohl sie wusste, dass sie die Antwort deprimieren würde.
»Wer ist vernichtet?«
»Dein Freund und Kollege Suko natürlich…«
***
Die gewaltige Faust, die Sukos Rücken erwischte, sah der Inspektor nicht, und es war auch keine Faust, sondern der Teil einer mächtigen Druckwelle, die ihn nach vorn schleuderte. Er hatte den Kontakt mit dem Boden verloren und wurde zu einem Spielball der Gewalten.
Wohin er flog und auch wo er genau landete, wusste Suko nicht. Die Welt war degeneriert in einem gewaltigen Chaos. Überall lag Staub in der Luft, und er war nicht in der Lage, auch nur etwas zu erkennen.
Aber Suko gehörte auch zu den Menschen, die über hervorragende Reflexe und Reaktionen verfügte. Da setzte bei ihm ein Automatismus ein, dem er gehorchte.
Noch in der Luft liegend rollte er seinen Körper zusammen. Er zog die Beine an und den Kopf ein.
Er landete nicht in einem Schützengraben, aber er hatte das Glück, dass ihn einige Hügel schützten.
Trotzdem wurden Teile von ihnen von der Wucht der Explosion regelrecht zerrissen, und in Sukos Nähe brach die Welt zusammen.
So dicht wie möglich presste er sich gegen den Boden. Er konnte leider nicht in ihn hineinkriechen, aber er hatte sich so klein wie möglich gemacht.
Dreck, Staub, Steine - alles befand sich in Bewegung und war von den Urkräften durcheinander geworfen worden. Suko hatte sich so stark wie möglich zusammengerollt. Er bot ein sehr kleines Ziel und wurde trotzdem erwischt.
Es regnete Erdklumpen und Staub auf ihn herab. Steine waren auch dabei, die von seinem Körper abprallten wie Bälle. Er spürte die Aufschläge nicht, denn er hatte sich in einen fast trancehaften Zustand gebracht. Er blieb nur liegen und wartete, bis der Horror vorbei war.
Und er hatte ein Ende.
Der Inspektor merkte, dass nichts mehr auf ihn herabregnete. Sein Gehör war durch den Lärm und den Explosionsdruck fast taub geworden. Er nahm nichts mehr zur Kenntnis, aber er wusste genau, dass er noch lebte, und nur das zählte.
Letzte Staubwolken senkten sich hinab. Ebenso wie feine Sandkörner, die ihren Weg auch in Sukos Kleidung fanden und auf der Haut kratzten.
Suko konnte seine Beine schmerzfrei ausstrecken. Da war weder etwas gebrochen noch geprellt.
Keine großen Behinderungen am Körper. Allerdings zählte auch der Kopf dazu, und als er ihn leicht anhob, spürte er die Stiche in der Stirn. Er war damit gegen ein Hindernis geprallt und hatte sich verletzt. Dort war die Haut eingerissen. Etwas Blut strömte aus der Wunde hervor.
Der Inspektor
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