1265 - Im Visier der Schattenhexe
Geschehen erledigt. Es wird woanders weiterlaufen, aber wir müssen zusehen, dass wir hier wegkommen.«
»Moment, was sagten Sie vorhin? Sie sitzen im Führerhaus des Krans?«
»Das ist leider so.«
»Schaffen Sie es denn?«
»Ja.«
»Sie brauchen keinen Hubschrauber, der Sie dort wegholt?«
Ich überlegte wirklich einen Moment. Dann sah ich, dass Suko die Frage ebenfalls gehört hatte, und er winkte mit beiden Händen ab. Die Blöße wollte er sich nicht geben.
»Sir, den benötigen wir nicht. So angeschlagen sind wir nicht. Wir werden es schon aus eigener Kraft schaffen. Auch wenn es Ihnen komisch vorkommen mag, wir brauchen zunächst mal unsere Ruhe.«
»Das heißt, Sie beide fahren nach Hause?«
»Ja, das hatten wir vor.«
»Gut, das wollte ich Ihnen auch vorschlagen.« Er wusste auch nicht mehr, was er sagen sollte. Den Part übernahm ich dann für ihn.
»Wir hören und sehen uns in ein paar Stunden.«
»Gut, John. Kann ich etwas tun?«
»Leider nicht, Sir. Das kann vorläufig keiner, und ich fürchte, dass es noch eine Weile so bleibt.« Es waren die letzten Worte, die ich ihm sagte, denn es hatte keinen Sinn mehr, wenn wir viel miteinander redeten. Für Suko, und mich war es jetzt wichtig, dass wir aus dieser luftigen Höhe verschwanden.
Zumindest bei mir hatte das Zittern aufgehört. Die Nervenanspannung war abgeklungen. Wie es um Suko stand, wusste ich nicht und fragte ihn deshalb: »Sollen wir es versuchen?«
»Ha, darauf warte ich schon die ganze Zeit über.«
»Nun ja, hau mal nicht so auf den Pudding. Wenn du dich selbst im Spiegel siehst, läufst du vor dir fort.«
»Danke, dito.«
Ich quälte mich auf die Beine und kam mir dabei wie ein alter Mann vor, denn auch ich hatte so einige Blessuren abbekommen. Aber Suko ging es noch schlechter. Er biss zwar die Zähne zusammen, aber er hatte auch nichts dagegen, dass ich ihn stützte.
Nachdem der erste Schweißausbruch vorüber war, sagte er: »Die paar Stufen schaffe ich schon.«
»Klar, Alter, davon bin ich auch überzeugt. Darf ich trotzdem bei unserer Kletterpartie vorgehen?«
»Wenn es dir Spaß macht.«
»Nein, Spaß macht es mir nicht. Aber mir bleibt nichts anderes übrig.«
»Dann los.«
Kurz gesagt, es war nicht einfach für uns, den Weg nach unten auf diese Art und Weise zu gehen.
Besonders nicht für Suko, der immer wieder Pausen einlegen musste. Einige Male rutschte er auch, und dann musste ich ihn abstützen, sodass alles gut ging.
Aber auch ich schickte mehrere Stoßgebete gleichzeitig zum Himmel, als wir wieder normal festen Boden unter den Füßen hatten und uns mit zitternden Knien erst mal ausruhten.
Suko litt, das sah ich ihm an. Aber es drang kein Laut der Klage aus seinem Mund. Die Haut im Gesicht glich dem blassen Wachs, in dem mein Kreuz verschwunden war. Da fiel der getrocknete Blutstreifen noch stärker auf als sonst.
Wir mussten noch bis zum Auto.
Wie zwei geschlagene Krieger verließen wir die Stätte unserer Niederlage. Dabei stützten wir uns gegenseitig. Es war eine sehr frische Nacht geworden, und als wir das Grundstück schließlich verließen, da klatschten die ersten Regentropfen wie kalte Eisstücke in unsere Gesichter.
Als wir den Rover erreicht hatten und das Wasser bereits aus unseren Haaren rann, fragte Suko:
»Kannst du überhaupt noch fahren?«
»Ha, willst du es übernehmen?«
»Nein.«
»Dann bleibt mir nichts anderes übrig.«
Suko stieg ein und setzte sich auf den Beifahrersitz. Wenn er mir freiwillig das Steuer überließ, dann musste es ihm schlecht gehen. Klar, der Fall war für uns alles andere als günstig gelaufen, doch jetzt, als ich im Rover saß, durchströmte mich schon ein gutes und irgendwie auch warmes Gefühl.
Wir hatten verloren, aber wir hatten unser Leben behalten. Das hieß, dass es weiterging…
***
Ich hatte Shao von unterwegs aus angerufen, als wir kurz anhalten mussten. Suko war weggedämmert. Ich bereitete Shao darauf vor, dass ihr Partner nicht mehr so aussah wie vor kurzem, als er sie verlassen hatte.
»Mein Gott, was ist denn geschehen?«
»Wirst du sehen, Shao. Bis gleich dann.«
Anscheinend hatte ich sie nicht genügend vorbereitet, denn als wir aus dem Aufzug stiegen und nicht eben wie die Superhelden über den Flur gingen, bekam sie schon einen leichten Schock.
»Himmel, Suko, wie siehst du denn aus?«
»Hallo, Shao«, murmelte er und bewies, dass er Humor hatte. »Getrunken habe ich aber nicht.«
»Rede keinen Unsinn.«
Wir schafften Suko
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