1265 - Im Visier der Schattenhexe
in der Lage, sich zu melden, aber sie hielt sich zurück, weil sie die andere Seite auch nicht provozieren wollte.
»Verstanden, Justine?«
»Ja.«
»Dann bringe ich sie hin.«
Justine protestierte nicht mehr. Glenda sah sie auch nicht. Sie sah keinen, weil sie in der tiefen Finsternis stand. Nur durch das Hören fand sie heraus, wo sie sich aufhielten.
Eine kräftige Hand umklammerte ihren rechten Arm und drückte ihn zusammen. Sie nahm auch den alten, muffigen Geruch wahr, der in ihre Nase strömte. Es war ein Gestank, der sie anwiderte, aber sie musste sich damit abfinden.
Der Griff blieb bestehen. Glenda wurde nach vorn gedrückt, und sie konnte sich bewegen. Sie gab dem Druck nach. Sie ging Schritt für Schritt in die Dunkelheit hinein und hielt nicht mal den freien Arm hoch, um irgendwelche Hindernisse schneller zu spüren. Sie vertraute einfach demjenigen, der sie weiterschob.
Der redete. »Es sieht schlecht aus für dich und deine Freunde. Die Zeiten haben sich bereits geändert. Sinclair befindet sich nicht mehr im Besitz seines Kreuzes. Du hast es geschafft, ihm einen starken Mantel aus Wachs zu geben. Es hat viel von seiner Kraft verloren. Es wird nie mehr so sein wie früher.«
Glenda senkte den Kopf. Sie hasste die Stimme des Mannes, in der großer Triumph mitgeschwungen hatte. Sie hätte schreien können vor Wut, aber sie tat nichts und ließ alles mit sich geschehen.
Widerstand war sinnlos. Sie würde sich nur selbst schaden, wenn sie irgendetwas unternahm.
Glenda stellte auch keine Fragen, wunderte sich aber, als die Hand sie zurückzog und sie zwang, für einen Moment stehen zu bleiben. Noch immer sah sie nichts, weil es einfach zu dunkel war. Darin aber hörte sie, wie eine Tür geöffnet wurde oder sich zumindest etwas mit den gleichen Geräuschen bewegte, was man für eine Tür halten konnte.
»Komm!«
Glenda hatte Angst. Aber es gab kein Zurück. In diesem Augenblick musste sie tun, was man von ihr verlangte, und so ging sie mit schleppenden Schritten vor.
Ein Hindernis hielt sie nicht auf. Sie glitt hinein in eine neue Welt. Es war weniger zu sehen, als zu spüren. Glenda hatte den Eindruck, trotz allem eine Weite zu erleben, in der sie sich verloren vorkam. Das konnte man mit einem weit geöffneten Maul vergleichen, vor dem sie stand.
An ihrer rechten Seite glitt jemand vorbei. Glenda merkte den leichten Luftzug, der über ihr Gesicht hinwegglitt. Auch schleiften Schritte über den Boden, und plötzlich wurde ihr Gesicht in die Zange genommen. Zwei Hände pressten sich gegen die Wangen, und jemand stand vor ihr, der sie anstarrte.
Sie sah das Gesicht nicht deutlich. Nur ein noch dunklerer Schatten malte sich ab, und einen Moment später hörte sie das böse Flüstern:
»Der Anfang ist gemacht, Glenda Perkins. Alles andere wird folgen. Genieße die letzte Zeit als normaler Mensch, denn dein Blut wird bald einer anderen Kraft geben.«
Glenda versuchte, die Worte zu ignorieren. Es war nicht einfach. So etwas quälte sie. Sie waren wie böse Nadelstiche, denen sie nicht ausweichen konnte. Aber sie wusste sehr gut, wer da gesprochen hatte.
Will Mallmann, alias Dracula II. Er war es gewesen, der sie geholt und auch in diese Umgebung geführt hatte. Er war ebenfalls jemand, der sich vom Blut anderer Menschen ernährte, aber er konnte sich auch zusammenreißen, wenn es die Situation erforderte, und genau das war hier der Fall.
Glenda hatte Mallmann in früheren Zeiten als normalen Polizisten und Menschen erlebt. Er war für sein Land eingetreten, für das er arbeitete. Aber auch ihn hatte es erwischt. Als Vampir hatte er sich danach eine, neue und mächtige »Existenz« aufgebaut und seine verdammte Blutwelt erschaffen, in die er sich immer wieder zurückzog und die er nur verließ, wenn es sein musste.
»Mallmann«, flüsterte sie und wunderte sich fast darüber, dass sie noch reden konnte.
»Ja, Glenda.«
»Du bist ein Verräter. Ein widerlicher Verräter. Man sollte dich endlich pfählen.«
Dracula II musste lachen. Glenda fürchtete schon, dass sie zu viel gesagt hatte, aber der Blutsauger ließ sie in Ruhe. »Nein, nein, so einfach ist das nicht. Ich kenne keinen, der es schaffen könnte, mich zu pfählen. Auch Sinclair nicht. Er hat immer wieder versucht, mich zu vernichten, es ist ihm jedoch nicht gelungen. Er nahm stets Anlauf, aber es waren Schüsse ins Leere, und so wird es bleiben. Er besitzt sein Kreuz nicht, und mir ist es gelungen, dich zu bekommen. Was meinst du,
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