1265 - Im Visier der Schattenhexe
das.
Auch wenn sich das Kreuz nicht mehr in meinem Besitz befand, würde ich weitermachen. Es stellte sich auch die Frage, was die Cavallo damit anstellen konnte. Gut, sie konnte es sich wie eine Trophäe um den Hals hängen. Es war ein absolutes Novum, dass ein Vampir ein Kreuz trug. Das hatte es eigentlich nie gegeben. Aber sie würde es nicht einsetzen können und auch nicht wollen, denn wenn sie die Formel rief, dann zerstörte sie sich selbst. Da würde sie innerhalb kürzester Zeit durch das Licht zerrissen werden.
Das jedenfalls stellte ich mir vor. Aber bei Justine Cavallo musste man mit allem rechnen. Die war für jeden bösen und schmutzigen Trick gut, daran konnte ich nichts ändern.
Also abwarten. Wasser trinken.
Ich schreckte aus meinen Gedanken, als ich ein Geräusch an der Wohnungstür hörte.
Nein, nein, das war kein Einbrecher. Derjenige, der die Tür normal öffnete, besaß auch einen Schlüssel und den hatte ich meinem Freund Suko überlassen.
Er war es dann auch, der meine Wohnung betrat, und ich schüttelte zunächst verwundert den Kopf, denn Suko ging nicht normal, er schlich nur dahin.
»Du hättest lieber im Bett bleiben sollen«, riet ich ihm.
»Liegst du im Bett?«
»Nein, aber ich bin auch nicht so kaputt.«
»Vergiss es.« Suko setzte sich vorsichtig hin. Er schloss für einen Moment die Augen, und als er sie wieder öffnete, sah er mich nicht, denn da war ich in der Küche verschwunden und holte eine zweite Flasche Wasser aus dem Kühlschrank.
Ich stellte sie zu ihm auf den Tisch. »Das ist genau das, was ich jetzt brauche.«
»Dann cheers.«
Wir tranken beide aus der Flasche. So sehr das Mineralwasser auch prickelte, den guten Gedanken oder die Blitzidee brachte es uns leider nicht.
»Soll ich fragen, ob es etwas Neues gibt oder dir vielleicht eine Idee gekommen ist?«
»Nein, lass es lieber.«
»Aber du hoffst?«
»Wieso?«
»Das sehe ich dir an.«
Ich winkte ab. »Ja, irgendwie hoffe ich. Es ist das Einzige, was uns bleibt. Aber ich sehe die Dinge auch von der realistischen Seite. Warum sollte man Glenda verschonen? Warum gerade sie? Es muss doch ein Festmahl für Mallmann und Justine sein, wenn sie ihr Blut trinken können. Bestimmt werden sie es sich teilen, damit jeder von ihnen etwas davon hat. Ich sehe keine konkrete Chance mehr für sie. Da kannst du mich auch nicht vom Gegenteil überzeugen.«
»Das hatte ich auch nicht vor. Ich wollte dich nur nicht allein lassen. Außerdem sind wir beide zuständig, auch wenn ich jetzt mitgenommen erscheine, aber auf dem verdammten Dach der Krankanzel ist es echt knapp gewesen.«
»Was sagt Shao?«
»Ich habe ihr keine Einzelheiten erzählt. Sie war jetzt auch der Meinung, dass es besser ist, wenn wir zusammenhocken und die Lage sondieren.«
»Was gibt es denn da noch zu sondieren, Alter? Nichts. Es steht fest, dass Glenda entführt wurde und wir sie - wenn überhaupt - in einem anderen Zustand wiedersehen. Sie uns als Blutsaugerin zu präsentieren, wäre für Mallmann und Justine das Größte. Sich dann daran zu weiden, wie wir reagieren.«
»Was würdest du dann tun?«
Ich schaute meinen Freund an, sagte aber nichts.
»Du müsstest es tun, John. Oder ich. Es gibt dann keine andere Möglichkeit. Einer jedenfalls muss sie erlösen, und vor dem Augenblick fürchte ich mich ebenso wie du. Ich habe schon mit Shao über dieses Thema gesprochen. Sie war der Meinung, dass sie es eventuell übernehmen würde, wenn alle Stricke reißen.«
»Ich will nicht darüber sprechen«, sagte ich leise.
»Das kann ich verstehen.«
Aber jetzt, da Suko das Thema angeschnitten hatte, kam ich nicht davon los. Ich stellte mir die schrecklichsten Bilder vor. Sah Glenda als bleiche Gestalt mit blutverschmiertem Mund durch die Nacht irren, auf der Suche nach Nahrung. Derartige Vorstellungen trieben mir kalte Schauer über den Rücken.
Wenn sie mal den Vampirbiss erhalten hatte, dann gab es kein Zurück. Auch nicht durch eine Bluttransfusion.
»Was sollen wir tun, John?«
»Warten. Was sonst?«
»Und dann?«
Ich hob die Schultern. »Manchmal spinnt man sich ja etwas zusammen. Das kann auch bei mir der Fall sein. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass in dieser Nacht noch etwas passiert. Und auch aus diesem Grunde bleibe ich wach…«
***
Glenda schloss die Augen!
Sie wollte einfach nicht sehen, was mit ihr passierte. Doch auch diesen Zustand behielt sie nicht lange bei, denn als die beiden Spitzen ihre straffe Halshaut berührten,
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