1265 - Im Visier der Schattenhexe
wenig das Gestänge vor dem scharfen Wind, doch es gab genügend Lücken, um ihm freie Bahn zu lassen.
Justine Cavallo ließ sich nicht blicken. Aber sie war da, das wusste Suko. Sie war nicht gesprungen und lag nicht mit gebrochenen Knochen unten auf der Baustelle.
Es gab vor ihm die Tür an der Rückseite, aber sie besaß auch im oberen Drittel ein schmales Fenster, durch das Suko in die Kabine schauen konnte.
Er tat es sehr vorsichtig und spähte auch von der Seite her hinein.
Die Kabine war leer!
Suko wusste nicht, ob er überrascht sein sollte oder nicht. Eher nicht, denn er kannte die Raffinesse der Cavallo, und sicherlich hatte sie bereits seinen Plan durchschaut, ohne ihn zu kennen. Suko hatte vorgehabt, das Wort »Topar« zu rufen. Wenn sie es dann in der Kabine gehört hätte, wäre der gleiche Fall wie unten eingetreten.
Suko wollte auf Nummer sicher gehen und schaute auch von der anderen Seite her in die Kabine.
Auch hier bot sich ihm das gleiche Bild. Er sah den leeren Sitz des Kranführers, davor das Steuerpult, das sicherlich beleuchtet war, wenn es in Betrieb war, jetzt aber im Dunkeln dalag. Auf dem Boden glänzte das Metall. Ein winziger Spind hatte ebenfalls noch Platz, aber das war wirklich alles, was er zu Gesicht bekam.
Er zog sich wieder zurück.
Die Cavallo war nicht in der Kabine! War sie dann trotzdem weitergeklettert?
Er sah keinen Sinn darin. Auf der anderen Seite kannte er die Möglichkeiten und Pläne dieser Blutsaugerin nicht. Was einem normalen Menschen oft sinnlos erschien, hatte bei diesem Wesen Hand und Fuß.
Von der linken Seite her lenkte ihn eine Bewegung ab. Sie war für Suko nicht nachvollziehbar, sie war auch nicht zum Greifen nahe, denn sie war draußen vorbeigehuscht.
Er drehte den Kopf.
Trotz der schnellen Bewegung bekam er nichts zu Gesicht. Was immer sich dort getan hatte, es war schon weitergehuscht, aber Suko behielt es im Gedächtnis.
Wo steckte sie?
Es gab für ihn nur eine Möglichkeit. Er musste die Kabine betreten. Es konnte sein, dass sie sich im toten Winkel zusammengekauert hatte und nur darauf wartete, dass er die Tür aufzog und sich in die Kabine hineinschob.
Sie hatte eine glänzende Klinke, die Suko mit der linken Hand nach unten drückte. Es lief nicht geräuschlos ab, aber die Laute waren nicht zu hören, weil der Wind sie überdeckte.
Noch einmal tief einatmen, sich konzentrieren und sich dazu auf das Schlimmste gefasst machen.
Suko waren derartige Situationen nicht neu. Es kam nur immer die andere Umgebung hinzu, und die hier war mehr als ungewöhnlich. Zudem kannte Justine Cavallo jeden Trick.
Die Tür ließ sich nach außen aufziehen.
Nicht nur Sukos Augen schauten in die Kabine hinein, auch die Revolvermündung, aber sie fand kein Ziel. Niemand hielt sich in diesem Gehäuse auf.
Ein anderer hätte sich entspannt, nicht jedoch Suko. Er war nur für einen Moment erleichtert, aber seine Konzentration ließ um keinen Deut nach. Vorsichtig betrat er die Kabine.
Der tote Winkel blieb leer. Da lauerte sie ebenfalls nicht. Suko sah auch kein offenes Fenster. Durch die Scheiben, die mit Wischern versehen waren, fiel sein Blick nach draußen in die graue Nacht.
Auch da bewegte sich nichts. Es sei denn, er orientierte sich an den langsam dahinsegelnden Wolken, aber auch der Schatten von vorhin war nicht zu sehen.
Es herrschte hier oben eine ungewöhnliche Atmosphäre. Suko wusste, dass die blonde Bestie nicht in die Tiefe gesprungen war. Sie war auch nicht nach unten gelaufen und hatte sich auch nicht innerhalb der Kabine versteckt, was wegen ihrer geringen Größe gar nicht möglich war.
Und der Spind?
Er war eigentlich auch zu schmal. Suko zog die Tür trotzdem auf. Es konnte sein, dass sich Justine dort hineingeklemmt hatte. Nein, da war sie auch nicht, er fand nur einen Helm auf der Ablage und zwei blaue Handtücher sowie Handschuhe.
Suko drückte die Tür wieder zu. Er wollte sich drehen, als ihn der Luftzug erfasste.
Eine halbe Drehung schaffte er, dann erwischte ihn der Schlag gegen den Kopf.
Vergessen war seine Waffe. Vergessen war der Vorsatz, sich um die Blutsaugerin zu kümmern. Er merkte den Schwindel nicht nur im Kopf, sondern auch die Weichheit in den Beinen und das war der Moment, wo er über sich selbst hinauswachsen musste. Er durfte auf keinen Fall bewusstlos werden, dann war es vorbei.
Suko kämpfte. Er hatte sich nach vorn fallen lassen und einen Arm ausgestreckt. Seine linke Hand war gegen die Spindtür
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