1266 - Schleichende Angst
zu auffällig hinschauen, aber er ging davon aus, dass es fremde Personen waren, denn im Ort waren sie ihm noch nicht über den Weg gelaufen. Sie ließen sich durch ihn nicht stören, beschäftigten sich mit den Croissants und tranken Kaffee aus großen Tassen.
Sein Eintreten war gehört worden. Aus einer offenen Tür kam Sally Corner. Ihr Haar war kurz geschnitten und blond wie reifer Weizen. Sie trug einen schwarzen Pullover mit halbrundem Ausschnitt, eine Hose und hatte sich eine kleine Bistroschürze umgebunden.
Sallys Augen waren intensiv grün. Lange konnte Stan diesem Blick nicht standhalten, und an diesem Morgen war es besonders schlimm. Er lief sogar rot an und sah schnell auf die aufgebauten Nahrungsmittel.
»Sie wollen frühstücken?« fragte Sally Corner erstaunt.
»Ja.«
»Super.«
Er fühlte sich irgendwie genötigt, eine Erklärung abzugeben. »In meiner Wohnung wurde es mir zu langweilig. Außerdem hatte ich keine Lust, mir etwas zu machen.«
»Das kann ich verstehen. Wie geht es denn Ihrem Kopf?«
Es hatte sich im Ort natürlich herumgesprochen, was mit ihm passiert war. »Nun ja, schon besser. Damit lässt sich leben.«
»War ja auch schlimm, nicht?« Sally zog die kleine Nase kraus, die von Sommersprossen umgeben war.
»Das können Sie laut sagen.«
»Lieber nicht. Was darf es denn sein?«
Stanley Shaw zuckte mit den Schultern. »Viel Hunger habe ich eigentlich nicht, wenn ich ehrlich sein soll. Kaffee natürlich, dann ein Croissant und Marmelade. Haben Sie Erdbeer?«
»Sicher.« Sie deutete auf ein kleines. Glas. »Reicht Ihnen das, Mr. Shaw?«
»Ja, das ist genug.«
»Dann bringe ich es Ihnen gleich an den Tisch.«
»Danke«, sagte er schnell und drehte sich hastig um. Er wusste selbst nicht, weshalb er so nervös war. Lag es an Sally? Wohl kaum. Oder lag es daran, dass er in jeder Frau schon so etwas wie eine potentielle Hexe sah? Das konnte durchaus sein, aber es wurde wirklich nicht von ihm gelenkt.
Er suchte sich einen freien Tisch aus, weil er nicht im Stehen essen und trinken wollte. Die drei Tische standen recht dicht beisammen, und so hatte er zwangsläufig mit den beiden Frauen einen näheren Kontakt. Aber er setzte sich so hin, dass er nicht in ihre Gesichter schauen musste. Stattdessen sah er durch das Fenster nach draußen und versuchte an der gegenüberliegenden Hausseite die viereckigen Steine der Fassade zu zählen.
Die Frauen in seiner Nähe unterhielten sich, aber sie sprachen so leise, dass er nichts verstehen konnte. Trotzdem machte ihn dieses Zischeln der Worte an. Er ärgerte sich, so etwas zu hören. Und es ärgerte ihn auch, weil er deswegen nervös wurde.
Sally Corner näherte sich. Er hörte sie gut, denn sie trug hochhackige Absätze, die einen gewissen Rhythmus auf dem Boden hinterließen. Sie blieb neben seinem Tisch stehen, stellte die große Tasse mit dem Kaffee ab, den Teller ebenfalls und hatte das Frühstück in einen Brotkorb gepackt.
»So, mein Lieber, dann lassen Sie es sich mal schmecken.«
»Danke.«
»Die Croissants sind frisch. Mein Mann hast sie heute Morgen schon gebacken.«
»Sie riechen auch toll.«
»Darauf legen wir Wert.«
Sally Corner zog sich zurück und ließ Stan allein. Er hatte Mühe, die große Tasse anzuheben. Sie zitterte in seiner Hand, und so griff er schnell mit der zweiten zu.
Es gab nirgendwo besseren Kaffee als hier bei Sally Corner, und er genoss auch die ersten Schlucke.
Die weiteren nicht mehr, denn plötzlich hörte er in seiner Nähe ein Kichern, das ihn erschreckte und zudem an gewisse Stimmen erinnerte, die er während seiner kurzen Wachphase im Wald liegend gehört hatte.
Ihm wurde heiß und kalt zugleich. Er musste die Tasse schnell abstellen und bewegte vorsichtig den Kopf nach links, um einen scheuen Blick auf die zwei zu werfen.
Sie saßen immer noch so, wie er sie beim Eintreten gesehen hatte. Nur hatten sie jetzt ihre Köpfe zusammengesteckt und sie unterhielten sich auch weiter mit ihren Zischstimmen.
Stan Shaw verstand nichts. Aber genau das regte ihn auf. Sie konnten sich da Geheimnisse erzählen, die nicht für normale Menschen bestimmt waren.
Gehörten die beiden zu den Hexen? Er konnte sich die Antwort nicht geben, weil er einfach zu wenig über sie wusste. Aber er ging davon aus, dass die Hexen nicht auf irgendwelchen Besen durch die Luft ritten, sondern sich angeglichen hatten und ihr wahres Gesicht erst in der Dunkelheit zeigten.
Er schämte sich für seine Gedanken und
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