1266 - Schleichende Angst
würde es ähnlich ergehen, glauben Sie mir.«
»Ja, das ist nicht gut gewesen.«
Sie schlenderten wie zwei Freunde, die sich in einer netten Unterhaltung befanden. Malcolm Butt wich nicht von der Seite des jungen Mannes, fragte auch nicht mehr nach, und erst als Stan schon damit rechnete, dass der Polizist sein Pulver verschossen hatte, stellte er wieder eine Frage.
»Diese Stimmen, Stan, haben Sie die auch noch mal gehört?«
Shaw blieb stehen. Er war überrascht. Er atmete scharf ein und schüttelte den Kopf.
»Tatsächlich nicht?«
»Nein.«
»Aber Sie wissen, wovon ich gesprochen habe?«
»Klar. Das habe ich Ihnen ja gesagt.«
»Und Sie sind nach wie vor davon überzeugt, dass es Frauenstimmen gewesen sind?«
»Ja, Mr. Butt, ich bin davon überzeugt, dass es Frauen gewesen sind.«
Der Beamte blieb stehen. »Das ist ungewöhnlich. Dann könnte man davon ausgehen, dass dieser Scheiterhaufen von einer Frau oder von mehreren angezündet wurde?«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht«, flüsterte Stan und zog dabei die Schultern hoch.
»Es ist zumindest vorstellbar.«
Stan überlegte. Ihm gefiel auch der prüfende Blick nicht, mit dem er angeschaut wurde. Dieser Inspektor schien mehr zu wissen, als er zugeben wollte.
»Mal eine andere Frage, Stan, die nur bedingt mit unseren Problemen hier zu tun hat. Glauben Sie eigentlich an Geister?«
Die Frage überraschte den Biologen. Noch nie hatte man sie ihm gestellt, und dementsprechend reagierte er auch. Er schüttelte den Kopf und hob zugleich die Schultern, aber er stellte auch die Frage, wie der Beamte darauf kam.
»Das ist ganz einfach, mein Lieber. Ich denke da an die Stimmen, die Sie gehört haben. Sie müssen Ihnen doch wie Geisterstimmen vorgekommen sein. Oder sehen Sie das anders?«
»Nein oder ja!« Er korrigierte sich schnell. Wieder bekam er einen roten Kopf. »Ich glaube nicht an Geister, Mr. Butt. Nein, das ist Unsinn. Ich bin Biologe, Naturwissenschaftler also. Wie kann ich da an Geister glauben?«
Der Inspektor lächelte. »Im Prinzip haben Sie Recht. Es ist schwer, daran zu glauben. Dann waren die Stimmen also diejenigen von lebenden Personen?«
»Das meine ich!«
»Gut. Halten wir das mal fest.« Er tat, als wäre es sehr wichtig. »Aber können Sie sich jetzt daran erinnern, was man Ihnen sagte?«
Stan war schon einmal danach gefragt worden und hatte gelogen. Natürlich wusste er, was sie ihm mit auf den Weg gegeben hatten, aber er wollte dem Inspektor davon nichts sagen und sich keine Blöße geben. Er wollte nicht ausgelacht werden.
»Nein, das kann ich nicht. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich so gut wie weggetreten war. Es kam alles zu plötzlich über mich, Inspektor. Ich war darauf nicht vorbereitet, wenn Sie verstehen, und ich möchte damit auch nichts zu tun haben.«
»Genauso würde ich auch denken.« Butt seufzte leise. »Leider kann ich das nicht. Mir fehlt noch immer die Leiche.« Er zuckte die Achseln und meinte dann: »Na ja, sie wird sich schon finden lassen, davon bin ich überzeugt.«
»Ja, das denke ich auch.«
»Haben Sie noch weit zu gehen?«
»Nein, Inspektor. Es ist das Haus gegenüber.« Stan deutete auf einen grauen Bau mit kleinen Fenstern, deren Rahmen einen grünlichen Anstrich zeigten.
»Gut, dann lasse ich Sie jetzt in Ruhe. Es kann sein, dass ich noch mal auf Sie zurückkomme, denn oft werden die Fragen in einem Fall nicht weniger. Und noch etwas.«
»Ja?«
»Wissen Sie, welches Datum wir heute haben?«
Stan Shaw war etwas überrascht. »Ja, es ist der letzte Tag im April.«
»Eben. Und in der folgenden Nacht haben die Hexen freie Bahn. Es ist Walpurgisnacht.«
Der junge Mann schwieg. Er schaute zu Boden und flüsterte dann: »Ich muss jetzt gehen.«
»Ja, tun Sie das.«
Stan ging schnell auf das Haus zu. Er hatte das Gefühl, als würde ihm der Inspektor kein Wort glauben…
***
Bevor Stan Shaw die Haustür aufschloss, drehte er sich noch mal um. Er sah Malcolm Butt, der noch nicht gegangen war und ihm nachschaute. Der Inspektor winkte ihm sogar zu, was Stanley wiederum als Hohn empfand, und sich dabei wie ein Verfolgter fühlte.
Das Haus gehörte einem schon etwas älterem Ehepaar, das ein Geschäft betrieb, in dem Artikel des täglichen Gebrauchs verkauft wurden. Von der Zahnbürste bis zum Wasserkessel konnte man dort alles kaufen. Der Laden befand sich in der unteren Ebene des Hauses. Er besaß zwei kleine Schaufenster, deren Rahmen ebenfalls in diesem hellen Grün
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