1267 - Das chinesische Grauen
haben Sie nicht anders handeln können.«
Der zuletzt eingetretene Mann drückte die Tür wieder zu. Plötzlich wurde es still, und die Spannung hatte sich in Angst verwandelt. Nur Li konnte nicht an sich halten. Sie stand zwar noch auf ihren Füßen, aber sie schwankte auch und musste sich an der Theke festhalten, um nicht zu fallen.
Auch Shao wusste, dass ihre Chancen dahin waren. Es hatte keinen Sinn, sich zu wehren. Wenn sie es jetzt versuchte, war sie schneller tot, als sie denken konnte. Da brauchte sie nur in die Augen der Männer zu schauen, in denen nicht ein Funke Erbarmen funkelte. Sie hatten sich gut verteilt. Es gab überhaupt keine Möglichkeit mehr, zur Tür zu gelangen, die im Übrigen wieder abgeschlossen worden war.
Einer trat vor. Er trug eine blaue Hose und eine kittelähnliche Jacke. Auf seiner Stirn war eine blutrote Narbe zu sehen, das einzig Auffällige an ihm.
Er baute sich vor Shao auf. Mit fast sanfter und freundlicher Stimme fragte er: »Wer bist du?«
»Ich wollte hier einkaufen.«
»Du wirst lachen, das glauben wir dir sogar. Hättest du es mal getan. Es wäre für dich besser gewesen. Stattdessen hast du dich um Angelegenheiten gekümmert, die dich nichts angehen.«
»Ich hörte Schreie!«
»Sehr nobel. Aber wenn hier jemand schreit, ist das seine Sache und nicht die einer Fremden. Trotzdem hast du dich tapfer gehalten, alle Achtung. Aber das wird dir nichts nutzen. Rein gar nichts.« Er lächelte sie an.
»Ich habe damit nichts zu tun. Nicht mit euch und…«
»Jetzt schon. Außerdem hast du uns neugierig gemacht. Dein Verhalten ist für eine Frau nicht normal gewesen, das haben wir erlebt. Wir konnten uns nur wundern, und wir gehen davon aus, dass nicht jede Frau so reagiert hätte wie du. Verstanden?«
»Was wollt ihr?«
»Ich will deinen Namen wissen.«
»Er tut nichts zur Sache.«
Die Faust des Mannes jagte blitzschnell vor. Shao hätte nicht ausweichen können. Der Schlag hätte sie an der Kehle getroffen, aber die Faust stoppte dicht davor.
»Ich hätte dich jetzt töten können. Noch mal eine solche Antwort, und ich tue es wirklich.«
Shao presste die Lippen zusammen. Ein Adrenalinstoß war durch ihren Körper gejagt und hatte für einen Schweißausbruch gesorgt. Sie sagte kein Wort mehr und drehte den Kopf zur Seite.
»Ich frage dich noch mal. Wie heißt du?«
Shao wollte es nicht auf die Spitze treiben. »Mein Name ist Shao.«
»Gut, brav.« Er schlug mit seiner flachen Hand gegen ihre Wange. »Du bist wirklich sehr brav, und es ist in deinem Interesse, wenn es dabei bleibt.« Er schnalzte kurz mit der Zunge und drehte sich zu seinen Kumpanen hin. »Habt ihr den Namen gehört, Freunde? Könnt ihr etwas damit anfangen?«
»Ja, schon…«
»Dann kläre mich auf.«
»Ich habe sie schon gesehen«, sagte der Typ und fixierte Shao scharf. »Ja, ich kenne dich. Aber du bist selten allein in ein Lokal gegangen. Du hattest immer einen Mann dabei.«
»Wer war es?«
»Auch einer von uns. Aber ein Bulle. Dieser Scotland-Yard-Typ, dieser Suko.«
Urplötzlich war die Spannung zu greifen. Suko war hier jedem ein Begriff. Die eine Seite kannte die andere, und besonders der Landsmann von ihnen wurde immer beobachtet, wenn er sich in ihrem Gebiet bewegte.
»Danke, aber ich werde sie noch mal fragen.« Der Mann mit der Narbe schaute Shao scharf an.
»Stimm das, was mein Freund uns hier erzählt hat?«
»Ja, er hat Recht.«
»Dann gehörst du zu dem Bullen.« Das Lachen des Mannes klang schrill und hoch. »Was ist das heute nur für ein Glückstag für uns, Shao. Ein richtiger Glückstag. Es ist klar, dass du ihn wohl nicht mehr wiedersiehst. Wir haben bestimmt einen Platz für dich, und wenn es einer auf dem Grund des Hafenbeckens ist. Da ist sogar genügend Platz für euch beide. Ja, das werden wir schon regeln. Man sollte sich eben nicht in Angelegenheiten anderer einmischen.«
Der Sprecher trat etwas zurück, um Platz zu haben, damit er ausholen konnte.
Shao stellte sich auf eine Abwehr ein, aber der Typ vor ihr zeigte seine Schnelligkeit. Diesmal entging sie der Handkante nicht. Sie traf eine bestimmte Stelle am Hals, und Shao wurde es schwarz vor Augen. Den Aufschrei ihres Schützlings hörte sie nicht mehr, denn sie befand sich bereits in den Fängen der Bewusstlosigkeit…
***
Es war nicht leicht, einen Parkplatz zu finden. Fast sogar unmöglich, und so blieb uns nichts anderes übrig, als den Rover ein Stück von unserem Ziel entfernt abzustellen, und
Weitere Kostenlose Bücher