1267 - Das chinesische Grauen
Stimme. »Sie hätten mir viel erzählen können, nur nicht, dass Shao Reis eingekauft hat. Wir haben noch genug im Haus. Alles hätte ich Ihnen abgenommen, nur das nicht.« Suko legte noch mehr Schärfe in seine Stimme. »Und jetzt will ich von Ihnen die gesamte Wahrheit wissen, Mrs. Tam.«
»Das war sie«, flüsterte die Frau. Sie stand auch weiterhin auf ihrem Platz, aber sie hatte sich zurückgedrückt, sodass ihr die Regale den nötigen Halt gaben.
Suko wandte sich an mich. Sein Gesicht war zu einer harten Maske geworden. »Was sagst du dazu?«
»Dass hier einiges nicht stimmt.«
»Genau!«
Beide wussten wir, dass Mrs. Tam unter Druck stand. Sie kannte die Gesetze hier in Chinatown, und ihr war klar, dass sie sie nicht übertreten durfte. Wahrscheinlich war Shao als unschuldige Person in etwas hineingeraten und war somit zu einer Zeugin geworden, die man am Sprechen hindern musste.
Da gab es Methoden, über die ich besser nicht nachdenken wollte, um eine Übelkeit zu vermeiden.
Ich hatte Zeit gehabt, mich im Geschäft umzuschauen. Es war ein völlig normaler Laden mit einer völlig normalen Einrichtung und auch mit den normalen Gerüchen. Es deutete auch nichts auf einen Kampf hin, abgesehen von dem Blutfleck auf dem Boden. Und mir fiel auf, dass es nur einer war.
Warum gab es nur ihn und keinen zweiten? Der Frage wollte ich auch nachgehen. Schon längst war mir die Tür im Thekenregal aufgefallen. Sicherlich führte sie zu einem Büro, bestimmt aber zu einem Lager.
Um es zu erreichen, musste ich hinter die Theke gehen. Es gab da eine Öffnung an der Seite, und genau vor ihr blieb ich stehen, weil ich dort einen zweiten Blutspritzer sah.
»Was sagen Sie dazu, Mrs. Tam?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Keine Erklärung?«
»Ich weiß nicht, ob es Blut ist.«
»Was liegt hinter der Tür?«
»Unser Lager.«
»Dann werden wir uns dort mal umschauen.«
»Nein, das brauchen Sie nicht. Dort ist niemand. Nur Kartons und Kisten, aber nichts sonst.«
»Davon werden wir uns selbst überzeugen, Mrs. Tam.« Ich glaubte ihr kein Wort mehr, und Suko erst recht nicht. Er schob sich an mir vorbei, hatte die Tür mit dem nächsten Schritt erreicht und zerrte sie auf. Er trat sofort zur Seite, weil er kein Ziel abgeben wollte, aber es wäre nicht nötig gewesen, denn niemand griff ihn an.
Die Frau hatte nicht gelogen. Es war tatsächlich ein Lager, und zwar ein recht großes für einen so kleinen Laden. Da konnte man leicht viel verstecken.
Mir war es zu dunkel, und deshalb schaltete ich das Licht ein. Ich hörte das leise Klicken, aber keine Lampe wurde hell. Hier hatte man den Strom abgestellt.
Suko hielt bereits seine Lampe in der Hand. Er leuchtete den Boden ab und entdeckte einen dritten Blutfleck. Aber es waren auch Schleifspuren auf dem nicht so sauberen Boden zu sehen, und sie sahen aus, als hätte jemand etwas über den Boden gezerrt.
Suko hielt es auf der Türschwelle nicht mehr aus. Er betrat den vor ihm liegenden Gang, ließ den Kegel seiner kleinen Leuchte wandern, und dann hörten wir beide einen Schrei.
Einen Moment später sprang eine Gestalt nicht weit von Suko entfernt in die Höhe und versuchte durch das Lager zu fliehen…
***
Ich hätte ihm ebenfalls nachlaufen können, aber ich blieb in der Nähe der Tür, denn Suko reichte aus. Außerdem musste ich Mrs. Tam unter Kontrolle halten.
Zwei Schatten jagten durch das Lager, wobei der eine Schatten schneller war als der andere. Ich hörte einen Schrei, dann einen dumpfen Aufprall, ein Fluch folgte ebenfalls, und das Tanzen der beiden Schatten hörte auf.
Dann kehrte Suko zurück. Er hatte es kurz und schmerzlos gemacht. Wie ein Paket trug er seinen Gegner unter den Arm geklemmt. Es störte ihn nicht, dass die Füße dabei über den Boden schleiften. Erst als er ins Helle trat, legte er ihn nieder.
Ich hatte mittlerweile die Tür zum Geschäft abgeschlossen. Suko legte den Mann vor der Theke nieder und jetzt sahen wir, dass er schwer angeschlagen war. Sein Gesicht war stark demoliert worden. Er blutete nicht mehr, doch die Wunden wiesen darauf hin, dass er geblutet hatte. Das konnte auch die Erklärung für die Tropfen sein.
Mrs. Tam stand hinter der Theke und schwieg. Ich wollte von ihr wissen, ob sie den Mann kannte, aber sie zuckte nur die Achseln.
»Sie kennen ihn nicht?«
»Weiß nicht.«
»Was hat er in Ihrem Lager zu suchen gehabt?«
»Vielleicht wollte er einbrechen.«
Das hätte ich ihr sogar abgenommen. Allerdings nicht in
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