1269 - Julie
zu meiner Überraschung still, presste nur die Lippen zusammen und schaute mich dabei böse an. Das war alles. Aber ich sah auch, wie sie ein paar Mal schluckte.
Die Erzieherin umfasste ihr rechtes Handgelenk mit festem Griff. »Nun, sind Sie schlauer geworden, John?«
»Sie werden es kaum glauben, aber das bin ich.«
»Können Sie das erklären?«
»Bisher hatte ich noch meine Zweifel, ob Julie wirklich Kontakt mit dem Lügenengel gehabt hat. Die haben sich jetzt verflüchtigt. Ich weiß nun, dass Belial sich auf den Weg gemacht und tatsächlich mit ihr Kontakt aufgenommen hat.«
Es verging nur wenig Zeit, da hatte Sina die Antwort verdaut. »Und wie geht es weiter? Was denken Sie?«
»Ich habe keine Ahnung, Sina. Ich weiß nicht, was er vorhat, aber er tut nie etwas ohne Motiv.«
»Dann ist Julie in Gefahr?«
»Das kann man so sagen. Nur müssen Sie das relativieren. Es ist im Moment keine direkte Gefahr, die sie umbringen könnte, sondern mehr eine indirekte.«
»Wie muss ich das verstehen?«
»Belial hat sich nicht grundlos bei ihr gemeldet. Er braucht sie. Julie ist davon gehe ich aus - Teil seines Plans. Ich weiß nicht, was dahinter steckt, aber ich werde meine Augen schon offen halten. Darauf können Sie sich verlassen.«
»Ja«, sagte sie leise und nickte. »Wenn ich ehrlich bin, wächst mir das alles über den Kopf, aber ich glaube Ihnen, John, auch wenn ich es nicht nachvollziehen kann. Das ist eine andere Welt für mich, und das müssen Sie verstehen.«
»Natürlich. Aber jetzt lassen Sie uns gehen. Die Nacht ist noch lang. Wir stehen erst am Beginn.«
»Wollen Sie wirklich bei uns bleiben?«
»Klar. Man kann Julie nicht allein lassen. Belial ist gekommen. Er hat uns bewiesen, dass es ihn gibt. Ich habe ihn vertreiben können, aber er wird es immer wieder versuchen. Dazu kenne ich ihn leider gut genug. Einer wie er lässt sich nicht so leicht stoppen und auch nicht von seinen Plänen abbringen.«
Sina Franklin hatte Probleme, mir zu folgen. »Aber Julie ist doch noch ein Kind«, flüsterte sie, »erst acht Jahre alt. Das…das … muss er doch einsehen.«
»Vergessen Sie das Gute. Vergessen Sie die erste Zeichnung. Denken Sie an die letzte und auch an das Bild, das Sie hier im Bach gesehen haben, kurz bevor die Gestalt verschwand.«
»Ja, das war schlimm.«
»Genauso ist er auch.«
Sina nickte. Dann hatte sie keine Fragen mehr und kümmerte sich um ihren Schützling. »Komm, Julie, wir gehen zurück in dein Zimmer.«
Das Mädchen protestierte nicht. Es ging neben Sina Franklin her, wehrte sich auch nicht, hielt aber den Kopf gesenkt, um mich nur nicht ansehen zu müssen.
Ich war nicht gerade ihr Freund…
***
Wir hatten das Heim wieder erreicht, aber ich war nicht mit in das Zimmer gegangen, sondern hielt mich im stillen Flur auf, in dem ich so etwas Ähnliches wie eine Besprechungsecke gefunden hatte, in der ich Platz nahm.
Ich wollte telefonieren. Eigentlich hatte ich nur mit einem kurzen Besuch im Heim gerechnet. Dass er sich so entwickeln würde, damit hatte ich nicht rechnen können, und deshalb wollte ich mich melden und bei meinem Freund Suko anrufen.
Es meldete sich Shao.
»Ich bin es nur.«
»Ach ja.« Shao wusste Bescheid und fragte deshalb: »Ist es wirklich ein Fall, dem du nachgehst, oder hast du einen Schuss in den Ofen erlebt?«
»Das Letzte nicht.«
»Oh.«
»Kann ich Suko sprechen?«
»Dann müsste ich ihn wecken. Auch er ist kein Supermann. Der Streifschuss am Kopf macht ihm doch härter zu schaffen als er zugeben will. Ich habe ihm deshalb Ruhe verordnet.«
»Das ist gut.«
»Ja, ja, aber du kennst ihn doch. Er will trotzdem an allem teilhaben.«
»Lass ihn schlafen, Shao.«
»Gut. Was kann ich für dich tun?«
»Es wird noch länger dauern, nehme ich an.«
»Große Probleme?«
»Belial.«
Es war zu hören, wie Shao erschrak. Ich konnte mir auch gut vorstellen, dass sie beim Hören des Namens erbleichte und für einen Moment die Augen schloss.
In der nächsten Zeit hörte sie zu, als ich ihr erklärte, was hier abgelaufen war. »Es gibt noch keine Ergebnisse, Shao, aber ich rechne damit, dass Belial am Ball bleiben wird. Er weiß jetzt, dass ich mitmische. Wenn er mich als Gegner nicht gesehen hat, dann hat er durchaus die Aura meines Kreuzes gespürt, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er von Julie ablassen wird.«
»Dann musst du auch dort bleiben. Allein, um dem Kind Schutz zu geben.«
»So denke ich auch.«
»Soll ich hier Wache halten
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