1269 - Julie
öffnete, aber von einer in der Dunkelheit lauernden Gefahr war nichts zu sehen.
Alles blieb friedlich.
Ich schaute den beiden entgegen. Sina wirkte auf mich wesentlich angespannter als Julie. Sie hielt das Mädchen zwar an der Hand, doch dabei blickte sie sich immer wieder um, aber in der Dunkelheit zeichnete sich nichts ab, was uns gefährlich werden konnte.
»Wir steigen hinten ein, nicht?«
»Klar.« Ich hatte beide Türen geöffnet. Zuerst musste Julie in den Wagen steigen. Ich stand neben der Tür und beobachtete sie. Dabei fiel mir der Blick auf, den sie mir zuwarf. Ich sah die glitzernden Augen und das feine Lächeln auf ihren Lippen. Es half nicht eben mit, mich zu beruhigen, es kam mir eher vor, als wüsste sie über etwas Bescheid, das sie Sina oder mir auf keinen Fall sagen wollte.
»Wo wohnt Ihr Freund genau?«
»Im Londoner Süden.«
»Eine gute Gegend?«
»Kann man sagen.«
»Aber auch etwas einsam, nicht?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wie man’s nimmt. Wer dort wohnt, der besitzt zumeist ein größeres Grundstück. So auch die Conollys. Aber Sie brauchen keine Angst zu haben, dass sie ins kalte Wasser geworfen werden. Die wissen beide, wie der Hase läuft. Sie kennen mich und meinen Job, und sie haben schon einiges in dieser Richtung erlebt. Sie sind also fit, wenn man das so sagen kann.«
»Ja, das hoffe ich sehr. Aber wir haben noch den Weg vor uns.«
Ich hob nur die Schultern.
Sina sagte auch nichts mehr. Sie setzte sich nach hinten zu Julie, und ich nahm meinen Platz hinter dem Steuer ein. Auch mir bereitete die Fahrstrecke bis hin zu den Conollys Sorgen, aber da musste ich durch.
Wir konnten uns schließlich nicht hinbeamen.
Ich startete. Im Innenspiegel schaute ich nach und sah Julie neben der Frau sitzen. Sie wirkte wie ein braves Mädchen. Ihre Hände hatte sie in den Schoß gelegt und zeigte dabei ein uninteressiertes Gesicht, als ginge sie das alles nichts an.
Daran glaubte ich nicht. Das helle Licht der Scheinwerfer erfasste einige Insekten und schreckte sie auf. Mücken, Motten und Nachtfalter huschten flatternd durch die Helligkeit, als ich anfuhr und zunächst Kurs auf die Brücke nahm, die wir schon gesehen hatten.
Auf dieser Strecke konnte ich nicht sehr schnell fahren. Die Straßen hier waren mehr Wege und oft nicht asphaltiert. Wir allerdings rollten über eine zumeist glatte Fläche hinweg, sah man mal von den Winterschäden in der Fährbahn ab.
Als die schmale Brücke im Licht erschien, fuhr ich langsamer, um die Zufahrt nicht zu verpassen. Der helle Schein wies uns den Weg. Er ließ das Mauerwerk an den beiden Seiten schimmern. Wieder tanzten die aufgeschreckten Insekten, und ich ging etwas vom Gas, denn die Straße verengte sich.
Julie lachte plötzlich.
Ich wusste den. Grund nicht. Sina hatte nicht mit ihr gesprochen und ihr nichts Lustiges erzählt. Trotzdem konnte Julie das Lachen nicht unterdrücken.
»Was ist denn?«, fragte die Erzieherin.
»Ich freue mich.«
»Worauf?«
»Nur so.«
Das glaubte ich ihr nicht. Für mich stand fest, dass sie mehr wusste oder zumindest etwas ahnte, doch es hatte keinen Sinn, sie zu fragen, sie hätte mir nichts gesagt.
Nach einem rumpelnden Stoß erreichten wir die Brücke, auf der die Fahrbahn ein noch intaktes Kopf steinpflaster hatte. Es glänzte wie ein dunkler Spiegel, als das Licht es traf, und ich hatte für einen Moment den Eindruck, auf dem Glanz den Umriss einer menschlichen Gestalt zu sehen, die auf uns wartete.
Automatisch fuhr ich etwas langsamer und schaltete dann auch das Fernlicht ein.
Die Gestalt war nicht da oder nicht mehr.
»War etwas, John?«
»Nein, nein, schon gut, es ist alles okay. Ich bin nur langsamer gefahren.«
»Das habe ich gemerkt.«
Ich atmete tief durch. Mittlerweile war auch ich nervös geworden, denn ich wusste nicht, was mich erwartete. Belial gab nicht auf. Er sah das Kind als sein Eigentum an. Es passte in seine Pläne hinein, und er würde es sich nicht entreißen lassen.
Krassere Gegensätze konnte es nicht geben. Auf der einen Seite dieser düstere Engel der Lügen, der einfach schrecklich aussah. Auf der anderen Julie Wilson. Ein nettes und hübsches Kind mit hellen, lockigen Haaren. Ein Mädchen mit großen Augen, die oft so staunen konnten.
Wie kamen die beiden zusammen?
Überhaupt nicht. Das war normalerweise unmöglich. Sie konnten nicht zusammenkommen. Aber ich erlebte immer wieder Überraschungen, wenn die tiefen Gräben überwunden wurden.
Belial war in
Weitere Kostenlose Bücher