1269 - Julie
erloschen…
***
Hinter mir hörte ich die schweren Atemzüge, und dann konnte Sina nicht mehr an sich halten.
»War das ein Blitz?«
»Ich denke schon.«
»Und das Licht…«
»Erloschen, Sina.«
Sie stöhnte leise. »Dann hat uns der Blitz womöglich getroffen. Ich habe keinen Donner gehört. Es… es… deutete auch nichts auf ein Gewitter hin. Wie ist so etwas möglich?«
Ich hatte vorgehabt, eine Antwort zu geben, es gelang mir nicht, denn Julie kam mir zuvor. Allerdings sagte sie nichts, sondern lachte einfach nur.
Es war wirklich ein hässliches Gelächter. So lachte kein normales Kind.
Es klang unnatürlich, wie von einer fremden Stimme.
Ich schnallte mich los und drehte mich so weit um, dass ich in den Fond schauen konnte.
Julie war so weit wie möglich von der Heimleiterin weggerutscht. Sie saß da wie eine Puppe, und ich sah, dass ihr Gesicht einen leichten Glanz bekommen hatte. Die Wangen kamen mir voller vor. Die Augen sahen so starr aus, und die Lippen hatte sie etwas nach innen gezogen. Es war kein nettes Gesicht mehr und auch keine Fratze. Ich glaubte eher, dass etwas noch Schlimmeres dahinter lauerte und wir erst am Anfang standen. Hinter dieser Veränderung konnte nur Belial stecken.
Sina Franklin war die Veränderung ebenfalls nicht entgangen. Sie schaute das Kind mehr als skeptisch von der Seite her an, wusste allerdings nicht, was sie dazu sagen sollte. Es hatte ihr wirklich die Stimme geraubt.
Ich sprach Julie an. »Geht es dir gut?«
»Ja.«
»Hast du den Blitz gesehen?«
Sie nickte. Wenn mich nicht alles täuschte, leuchtete es dabei in ihren Augen sogar auf.
»Kannst du ihn erklären?«
Ich wollte ihre Stimme noch mal hören, denn die letzte kurze Antwort war mir zu wenig gewesen. Ich hatte einfach das Gefühl gehabt, dass die Stimme eine Veränderung durchlaufen hatte. Sie hatte anders geklungen, und ich stellte die nächste Frage.
»Ist dein Freund wieder in deiner Nähe, Julie? Kannst du ihn vielleicht spüren?«
»Er ist immer da!«
Genau das hatte mir ausgereicht, um zu erfahren, dass sich die Stimme verändert hatte. Sie war härter geworden. Man konnte durchaus von einem metallischen Klang sprechen, und so stand für mich fest, dass Belial uns gefunden hatte.
Ich sah ihn nicht, aber das musste nichts zu bedeuten haben. Der Lügenengel war plötzlich da und setzte seine grausamen Zeichen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen.
Sina Franklin meldete sich. »John, ich möchte ja nicht drängen, und ich möchte auch nicht, dass Sie denken, ich wäre überängstlich, aber wäre es nicht besser, wenn wir weiterfahren?«
Ich gab ihr zunächst keine Antwort und blickte nach vorn in die Dunkelheit.
Der einsame Friedhof war noch zu erkennen. Allerdings nur in seinen Umrissen. Für mich war es unmöglich, die einzelnen Grabsteine auseinander zu halten. Sie wirkten beim Hinschauen jetzt wie eine kompakte Masse.
Natürlich hatte sie Recht. Je schneller wir hier wegkamen, desto besser war es für uns. Aber ich befürchtete auch etwas ganz anderes, über das ich mit ihr noch nicht sprach.
»Bitte, John…«
»Wir werden es versuchen.«
»Was sagen Sie da?«
Sie wollte eine Antwort haben, die erhielt sie auch auf eine besondere Art und Weise.
Ich drehte den Zündschlüssel. Es tat sich nichts. Ich drehte ihn noch mal und erlebte wieder das gleiche Phänomen. Unter der Motorhaube bewegte sich nichts. Da war alles still, und genau das blieb es auch bei einem dritten Versuch.
»John, was ist das?«
»Ganz einfach. Wir kommen nicht weg. Nicht mit dem Rover hier. Er springt nicht an.«
Ich hörte sie nach Luft schnappen. »Und… und … jetzt? Was haben wir denn jetzt?«
»Ein Problem«, erwiderte ich leise, »ein verdammt großes Problem…«
***
Genau das wusste auch Sina Franklin, denn sie sprach kein Wort mehr.
Stumm saß sie auf dem Rücksitz. Ich hörte nur, wie sie Atem holte und ihn wieder ausstieß.
Wieder das leise Lachen. Es stammte nicht von Sina Franklin, sondern von Julie. Möglicherweise wusste sie mehr, doch sie hielt sich mit ihrem Wissen zurück.
Sina hatte sich wieder gefangen. Zumindest konnte sie eine Frage stellen. »Haben Sie einen Vorschlag, John?«
»Mit dem Wagen kommen wir nicht weiter, das müssen wir mal festhalten. Wenn wir den Weg fortsetzen wollen, dann zu Fuß. Und da wird es einige Probleme geben.«
»Belial!«
»Wer sonst?«
»Er hat uns.«
»Er war immer in der Nähe«, erklärte ich. »Wir haben ihn nur nicht gesehen, im
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