1273 - Poker mit dem Tod
hob die Schultern. »Oder auch der Teufel. Sie können es sich aussuchen.«
»Das ist schwer zu glauben.«
»Aber es stimmt. Er kam an, er bot mir das Spiel an, und ich habe eingeschlagen. Ich konnte alles gewinnen. Viel Geld, viel Reichtum, aber ich konnte auch vieles verlieren.« Er deutete auf sein Bein, »und das ist der Anfang.«
»Verstehe«, sagte ich und trat an das offene Fenster, um nach draußen zu schauen. Die Kollegen vom Einsatzkommando hatten sich zurückgezogen. Es gab für sie nichts mehr zu tun. Einige Gaffer standen noch auf dem Hof und diskutierten. Sie schauten auch zum Fenster hoch, aber da war nichts zu sehen, abgesehen von mir.
Ich ließ mir das Gehörte noch mal durch den Kopf gehen. Es hatte unwahrscheinlich geklungen, aber gerade das Unwahrscheinliche war in unserem Job leider normal. Damit hatten wir uns schon seit langem abfinden müssen.
Sollte er wirklich gegen den Tod gespielt haben? Oder gegen den Teufel? Vielleicht auch gegen Dämonen?
Hinter mir unterhielten sich Suko und Cameron. Mein Freund hatte das Thema des Durchdrehens aufgegriffen und stellte die entsprechenden Fragen.
»Ja, das ist über mich gekommen, verflucht. Ich habe darauf gesetzt, zu gewinnen. Ich wollte den Jackpot, aber ich habe ihn nicht bekommen. Ich bin ein Spieler. Ich kann gewinnen, ich kann verlieren, und diesmal habe ich verloren. Das konnte ich nicht verkraften. Ich habe auf mein verdammtes Bein gestarrt und musste erkennen, dass es tatsächlich zu mir gehörte und zu keinem Fremden. Da habe ich dann den Kopf und die Kontrolle verloren. Ist doch menschlich - oder?«
Was Suko erwiderte, hörte ich nicht, denn ich drehte mich langsam wieder um.
»Waren Sie der einzige Zocker, der darum gespielt hat?«
Julius Cameron wartete mit der Antwort, bis ich neben seinem Bett stand.
»Nein, das denke ich nicht. Es gab auch andere. Wir sind doch alles Spieler.«
»Sie vielleicht, aber…«
»Ja, ich weiß. Ich sage Ihnen auch, dass ich damit mein Geld verdiene. Das ist wie im Wilden Westen. Ich bin der Kartenhai. Ich bin derjenige, der die anderen ausnimmt, weil ich eben gut bin und die besseren Nerven habe. Leider bin auch ich älter geworden. Früher war ich besser, da war ich spitze, doch das ist vorbei, denn jüngere Zocker sind nachgewachsen, und ich kann nichts dagegen tun. Ich versuche noch immer, mich durchzumogeln, doch Sie sehen, was dabei herausgekommen ist. Diese verdammte Bruchbude. Mehr ist nicht mehr drin. Ich halte das Blatt zwar noch in den Händen, habe auch hin und wieder mal Glück, aber ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst. Nicht mehr der große King wie in meinen guten Jahren. Deshalb habe ich meine große Chance ergriffen und leider das erste Spiel verloren.«
»Gegen den Tod?« fragte ich noch mal.
»Ja.«
»Und wie sah der Tod aus?«
Ich hatte eigentlich nichts Besonderes erwartet, sondern eher die Beschreibung eines normalen Menschen, hinter dessen Äußerem sich allerdings die Fratze des Dämons der Finsternis versteckte, aber die Antwort überraschte Suko und mich zugleich.
»Er sah aus wie der Tod.«
»Bitte, Mr. Cameron. Und wie sieht der Tod aus?«
»Er war ein Skelett!«
Zunächst herrschte Schweigen. Weder Suko noch ich schafften einen Kommentar. Wir standen neben dem Bett und schauten ins Leere, wobei unsere Köpfe das nicht waren, denn über diese Antwort musste man nachdenken.
»Sie haben gegen ein Skelett gepokert?«, vergewisserte sich Suko.
»Klar doch.«
»Und wo?«
»In einer Spielhölle!«
»Hier in London?«
»Klar. Früher bin ich durchs Land gereist, aber heute bin ich zu bequem.«
Das konnte stimmen. Wir hatten zwar beruflich nichts damit zu tun, wussten jedoch, dass es in London an versteckten Orten zahlreiche illegale Spielhöllen gab, in der die Menschen versuchten, durch Zocken reich zu werden.
Das gelang nur den wenigsten, denn in diesen Hinterzimmern ging es zur Sache. Und mancher hatte sie schon mit gebrochener Hand oder verkrüppelten Fingern verlassen, wenn er beim Falschspiel erwischt worden war.
Als mir dieser Gedanke kam, sah ich auf die Hände des Spielers und stellte fest, dass sie ganz normal waren und keinerlei Anzeichen von Brüchen oder Verkrüppelungen aufwiesen.
»Und in diese Spielhölle wollen Sie auch wieder gehen, um weiter zu zocken?«
Julius Cameron schaute Suko an, und sein Mund verzerrte sich dabei. »Ja, bis zum bitteren Ende oder bis zum Jackpot. Ich will erst mal mein normales Bein zurückgewinnen, und dann
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