1276 - Spielplatz der Hölle
hatten getan, was sie konnten, sie hatten auch geschossen, aber der andere war ihnen überlegen gewesen und hatte im richtigen Moment genau das Richtige getan.
Harry fluchte vor sich hin. Er war ziemlich heftig gelaufen und spürte die Stiche in seiner Brust. Es war ihr Pech gewesen. Dem anderen war tatsächlich die Flucht gelungen. Wäre er durch geweihte Silberkugeln angeschossen worden, hätte er ihn längst auf dem Boden liegend finden müssen.
Ziemlich sauer und bis in die Zehenspitzen frustriert, ging er wieder den Weg zurück.
Dagmar Hansen war bei dem Rentner geblieben. Er saß am Boden und traf auch keine Anstalten, sich zu erheben. Beide Hände hielt er seitlich gegen den Kopf gepresst, und es war zu hören, wie schwer er atmete.
Harry steckte seine Waffe weg und schaute Dagmar an. Er hob dabei die Schultern.
»Klar, er war zu schnell.«
Dagmar nickte. »Das habe ich mir gedacht. Ich konnte nicht anders und musste schießen. Aber er schien es irgendwie gerochen zu haben. Er tauchte weg, bevor ihn die Kugeln erreichen konnten.«
Dagmar schaute sich unbehaglich um. »Das passt mir nicht in den Kram.«
Harry stimmte ihr zu. »Ich denke mal, dass er auf keinen Fall aufgeben wird.«
»Eben.«
Bei ihrer Antwort hatte Dagmar einen Blick nach unten auf Günther Koch geschickt, der ihrem Gespräch wohl zugehört hatte, aber nicht reagierte.
»Ist er verletzt?«
Dagmar schüttelte den Kopf. »Nicht durch Boris Kelo. Er ist mit seinem Rad zu schnell auf diesem unebenen Gelände gefahren und hat ein Hindernis übersehen. Das Rad erhielt einen Schlag, und Koch wurde über den Lenker katapultiert. Dabei schlug er so unglücklich auf, dass er für eine Weile das Bewusstsein verlor. Als er dann wieder erwachte, war sein Verfolger bei ihm. Und dann sind wir gekommen.«
Mehr brauchte Dagmar nicht zu sagen. Koch hatte mitbekommen, dass über ihn geredet worden war. Er reagierte darauf und ließ seine Arme jetzt sinken, schaute aber nach wie vor gegen den Boden, als er mit zittriger Stimme sprach.
»Er hat nicht geatmet. Er hat nicht geatmet. Ich habe es genau bemerkt, verdammt…«
Dagmar und Harry warfen sich bezeichnende Blicke zu. Der Mann bestätigte ihnen nur das, was sie schon wussten, denn sie hatten es in der Pathologie erlebt.
»Hat er sonst noch etwas gesagt, das uns weiterhelfen könnte?« fragte Harry.
»Nein. Er war noch zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt. Das alles hat ihn geschockt. Für ihn war dieser Unhold nichts anderes als eine Leiche, die lebt. Und genau das konnte er nicht fassen.«
Harry ging einen Schritt zur Seite und blieb neben dem Rentner stehen. »Kommen Sie, Günther, Sie können nicht ewig hier hocken. Wir bringen Sie nach Hause. Vielleicht brauchen Sie auch einen Arzt, der sich um ihren Kopf kümmert.«
»Nein, brauche ich nicht. Ich bin nur gefallen. Das ist alles gewesen.«
»Okay.« Harry streckte ihm die Hand entgegen, die der Rentner dankbar umfasste. Er ließ sich in die Höhe ziehen, blieb auch stehen, aber er schwankte doch ein wenig, denn so richtig auf dem Damm war er noch nicht.
»Mein Rad!« flüsterte er.
»Das nehmen wir mit.«
»Ja, ist gut. Wir können über das Feld gehen.«
»Besser ist es, wenn wir mit unserem Auto fahren. Es steht direkt an der Straße.«
Dagmar Hansen kümmerte sich um das Rad. Sie hob es an und schob es neben sich her. Das Vorderrad eierte leicht. Ansonsten war es kein Problem, das Rad der Straße entgegenzuschieben.
»Wenn Sie nicht gekommen wären, dann wäre ich jetzt tot«, fasste Günther Koch zusammen.
»Das mag wohl stimmen. Aber hat dieser Zombie Ihnen gesagt, warum er sie töten wollte?«
Koch blieb stehen. »Zombie, sagten Sie?«
»So schätze ich ihn ein.«
»Dann… dann… war das kein Zufall, dass Sie hergekommen sind - oder?«
»Genau. Es war kein Zufall.«
Koch blieb stehen. »Wer sind Sie eigentlich? Polizisten?«
»Das kann man so sehen.«
»Und Sie jagen diesen Hund?«
»Wir versuchen es.«
»Das ist gut.« Er setzte sich wieder in Bewegung. »Aber Sie haben mich vorhin etwas gefragt, Herr…«
»Ich heiße Harry Stahl, und meine Kollegin hört auf den Namen Dagmar Hansen.«
»Ist klar, Herr Stahl. Sie wollten wissen, warum mich diese Bestie töten wollte?«
»Das stimmt.«
»Weil ich ein Zeuge bin. Das jedenfalls hat er mir eiskalt gesagt. Er wollte mich umbringen, weil ich ihn gesehen habe.« Er schaute auf seine Schuhe, die fast in der weichen Erde versanken. »Ich konnte es ja
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