1279 - Die Jenseits-Pyramide
sie den Spitznamen Horror-Oma bekommen.
Auf ihn war Lady Sarah sehr stolz, und wann immer es möglich war, versuchte sie auch, den Horror im wahren Leben zu entdecken. Da hatte sie sich schon öfter in Fälle hineingedrängt, die in diese Richtung liefen und war oft nur knapp mit dem Leben davongekommen.
»Und«, fragte Jane, nachdem sie ihr Glas geleert hatte, »wie ist dein Tag verlaufen?«
»Ruhig.«
»Sei froh.«
»Zu ruhig.«
Jane musste lachen. »Reicht dir immer noch nicht, was du schon alles erlebt hast?«
»Ein bisschen Spannung könnte mein Leben schon vertragen, denke ich.«
»Du bist kein Teenager mehr, Sarah.«
»Leider«, erklärte die Horror-Oma betrübt. »Und dabei ist das Leben doch so spannend. Wenn ich auf dich schaue und auf John Sinclair oder Bill Conolly und…«
»Moment, Moment«, unterbrach Jane sie lachend. »Wir sind alle jünger. Wir haben unsere Jobs. Das kannst du nun wirklich nicht vergleichen, denke ich.«
»Es ist nur blöde, zum alten Eisen zu gehören.«
Jane winkte ab. »Das gehörst du nun wirklich nicht.« Sie kannte diese Diskussionen, und sie hatte auch nicht gelogen. Zum alten Eisen gehörte die Horror-Oma wirklich nicht. Sie war vom Geist her hellwach, sie interessierte sich für viele Dinge im Leben. Am meisten natürlich für die Vorgänge, die rational oft nicht zu erfassen waren. Hinzu kam ihr immenses Wissen, was gewisse Gebiete anging, die für normale Menschen oft ein Tabu waren.
Ob Geschichte, Mystik, Grusel, da kannte sich die vierfache Witwe aus, die ihre Männer überlebt und deren Vermögen geerbt hatte und sich deshalb ein gutes Leben machte, aber auch andere Menschen nicht vergaß, denen es schlechter ging, und deshalb zu einer der großen Spenderinnen zählte.
Als Jane gähnte, wurde sie mit einem bösen Blick bedacht. »Ha, ich merke schon, dass ich dich nicht interessiere. Das habe ich mir fast schon gedacht.«
»Tut mir Leid, aber ich bin wirklich kaputt.«
»Dann gehörst du ins Bett.«
Jane stand mit einer müden Bewegung auf. »Du hast es genau erfasst, Sarah. Ich werde auch ins Bett gehen.«
Sarah winkte ihr noch kurz zu, dann griff sie zur Fernbedienung und schaltete die Glotze ein. Der erste Film war schon angelaufen. Sie hatte Jane nur nichts sagen wollen, das wäre unhöflich gewesen.
Die Detektivin aber war froh, sich hinlegen zu können. Müde schlich sie die Treppe hoch, die Unterlagen unter ihren Arm geklemmt. So etwas wie heute würde sie sich in der folgenden Zeit freiwillig nicht mehr antun, das stand fest.
Ihre kleine Wohnung lag in der ersten Etage des Hauses. Sie war kein Prachtstück, aber ein Kleinod, und Jane fühlte sich darin sehr wohl. Um diese Jahreszeit saßen die Menschen normalerweise im Garten, aber den Sommer in diesem Jahr konnte man vergessen.
Es gab einfach zuviel Regen, und es war auch zu kühl für die Jahreszeit. Da konnte sie auch den Platz hinter dem Haus auf dem Innenhof vergessen, der zu einem kleinen Paradies für die hier wohnenden Menschen geworden war.
Der Tag neigte sich dem Ende zu, und der Himmel bekam die graue Farbe der Dämmerung, in die Jane hineinschaute, als sie vor dem Fenster stehen geblieben war. Nein, das war kein Tag, um den Sommer zu genießen. Sie freute sich schon darüber, dass es nicht regnete, und weitere Schauer waren nicht auszuschließen.
Jane Collins warf die mitgebrachten Unterlagen auf einen Tisch, schleuderte sich selbst in einen Sessel hinein und sprang sofort wieder auf, denn ihr fiel ein, dass sie noch unter die Dusche wollte, bevor sie dann unter die Decke kroch.
Das Duschen tat ihr gut. Es spülte auch die Gedanken weg, die Jane die ganze Zeit über nicht losgelassen hatten.
Dieser Vortrag hatte bei ihr einen größeren Eindruck hinterlassen als sie angenommen hatte, aber das war jetzt vorbei.
Die Haare hatte sie nicht gewaschen und mit einer Duschhaube vor Nässe geschützt. So brauchte sie nur ihren Körper abzutrocknen. Danach streifte sie den Slip über und zog sich einen Bademantel an, dessen weicher Stoff sie flauschig umschmeichelte. Jane fühlte sich nicht mehr so kaputt. Die Dusche hatte sie irgendwie wacher werden lassen, aber sie dachte nicht daran, sich jetzt noch vor den Fernseher zu setzen oder in irgendwelchen Unterlagen zu lesen. Das Bett war für sie wichtiger, und Jane genoss den Moment, in dem sie sich lang hineinstreckte.
Sie schlief nie in Ruhe ein. Etwas Musik wollte sie immer hören, und auch jetzt schaltete sie das Radio an. Der
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