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128 - Der Schläfer

128 - Der Schläfer

Titel: 128 - Der Schläfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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möglicherweise bereits tot war.
    Die Bewohner des kleinen schottischen Dorfs hatten sie mit Nanobots infiziert, um sie zu einer der Ihren zu machen: zu einer Unsterblichen. Die mikroskopisch kleinen Roboter waren programmiert, den Wirtskörper bis in alle Ewigkeit vor körperlichem Verfall zu bewahren. Damit schenkten sie ihm eine fragwürdige Form von Unsterblichkeit – die nur so lange währte, wie der primäre Träger der Nanobots, der so genannte Hüter, am Leben blieb. Mit dessen Tod vor exakt sieben Stunden und fünfundzwanzig Minuten war die Energieversorgung der Nanobots zweiter Generation zusammengebrochen. Und nun starben sie langsam ab und überschwemmten ihre Wirtskörper mit giftigen Abfallprodukten.
    Matt wusste nicht einmal, ob man Aruula in der Community überhaupt würde helfen können; ihm blieb nichts übrig, als alle Hoffnung auf die moderne Medizin zu setzen – und darauf zu bauen, dass man Aruula bald fand.
    In der Phase der Desorientierung, in der sich die Nanobots im Wirtskörper millionenfach reproduzierten und auf alle Körperfunktionen einstellten, war Aruula den Dörflern entkommen und in die Wildnis hinaus geirrt.
    Was stellten die Mikro-Roboter jetzt, in diesem Augenblick, mit ihr an? Spürte die Barbarin, wie die unheimlichen Kunstwesen ihren Körper übernahmen, für ihre Bedürfnisse umfunktionierten? Oder wie sie, der Verbindung mit der ersten Generation und des Energieflusses beraubt, abstarben und Aruula mit in den Tod rissen?
    Nein – Matt durfte nicht daran denken.
    Er setzte sich in den Pilotenstuhl. Der betriebsbereite Reaktor des EWATs sprach sanft an, als er das Startmanöver einleitete. Mit wenigen Handgriffen zog Matt den Flugpanzer senkrecht in die Höhe.
    Unbändige Sturmböen fegten augenblicklich über das voluminöse, zwanzig Meter lange Fahrzeug hinweg. Packten es, drückten und zogen die vier aneinandergereihten Segmente in unterschiedliche Richtungen. Mit aller Vehemenz und Geschicklichkeit steuerte Matthew Drax, der ehemalige Risikopilot der US Air Force, durch die Lüfte.
    »Suchen sie per Infrarot nach größeren Wärmestrahlungen!«, befahl er Lieutenant Cummings mit zusammengepressten Zähnen. Konzentriert und verbissen flog er einen ersten engen Kreis, um die Suche dann in einer größer werdenden Spirale fortzusetzen.
    Wo bist du, Aruula?
    ***
    »Du siehst ein wenig abgespannt aus«, sagte Eve Neuf-Deville.
    Die Wege hinab in die Tiefen der Community kamen Rulfan wie immer schier endlos vor. Er war dankbar, dass ihre Stimme ihn daran erinnerte, dass er nicht alleine unterwegs war.
    »Ich habe unruhig geschlafen«, entgegnete er und kniff das Gesicht zusammen, wie er es immer tat, wenn ein unbewusster Zweifel an ihm nagte. »Und ich habe merkwürdig geträumt, wie so oft in letzter Zeit.«
    »Kannst du dich an etwas erinnern?« Das Interesse der Psychologin war erwacht.
    »Nein. Tut mir Leid.«
    Er blickte Eve verstohlen von der Seite an.
    Sie war schön. Schöner als er es sich bislang bewusst gemacht hatte. Etwas an ihrem Äußeren erschien ihm verändert. Die sonst so langsamen Bewegungen hatten irgendwie an Eleganz und Klasse gewonnen; die Stupsnase, sonst immer ein wenig anmaßend erhoben, wirkte heute frech und herausfordernd. Auch das Gesicht, meist maskenhaft, besaß, wenn man es genauer studierte, erstaunliches Ausdrucksvermögen.
    »Findest du mich so interessant, dass du mich derart unverblümt anstarrst?«
    Rulfan schreckte zusammen. »Ich? Nein, also… wie kommst du denn…« Er verstummte.
    Sie lächelte. Es war ein bezauberndes Lächeln. »Fehlt nur noch, dass du rot wirst.«
    Rulfan wurde schlagartig rot.
    Eve lachte glockenhell. Ihre blauen Augen leuchteten schelmisch. »Jetzt hör schon auf mit dem Theater, Rulfan!« Sie deutete nach vorne. »Wir sind da!«
    Irritiert sah er hoch.
    Tatsächlich. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Das »Nest« lag vor ihnen. Jenes scheinbar sinnlos angeordnete Konglomerat an Sälen, Räumen und Kabinen, das die Wissenschaftler Salisburys seit Jahrhunderten traditionell als ihre tatsächliche Heimat betrachteten. Hier unten wurde das nach wie vor überlebensnotwendige Serum gewonnen, hier saß die Community-Zentralhelix, hier wurde entwickelt und geforscht.
    Einer der wenigen aktiven Männer der Inneren Sicherheit erwartete sie. Ein mürrischer Glatzkopf, sicherlich bereits jenseits der Hundert.
    »Der Lupa muss hier bleiben!«, keifte der Wachmann unhöflich. »Der hat da

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