1280 - Der Engel und sein Henker
normal hin. Dann wollte ich mich trotz der Waffe auf ihn stürzen, aber wieselflink huschte ein Schatten auf mich zu.
Es war der zweite Typ, der seinen Platz auf der Kommode verlassen hatte und mich erreichte, bevor ich noch etwas unternehmen konnte. Er machte es hart, verdammt hart sogar. Eine Hand erwischte meine Haare. Im nächsten Augenblick wurde mir der Kopf nach hinten gerissen, und dann spürte ich den Druck seiner Waffenmündung an meiner linken Wange.
»Noch eine Bewegung, und ich zerschieße deinen verfluchten Bullenschädel.«
Es war klar. Einer wie er bluffte nicht.
Ich bewegte mich nicht. Ich schrie auch nicht, obwohl ich es hätte tun können, denn die Schmerzen auf meiner Kopfhaut waren kaum zu ertragen. Sie fühlten sich an, als sollten mir die Haare büschelweise ausgerissen werden.
Craig Logan rappelte sich wieder hoch. Noch in der Bewegung schüttelte er den Kopf wie jemand, der nicht glauben konnte, was mit ihm passiert war. Er holte keuchend Luft und wischte mit seinem Handrücken über die Augenpartie hinweg.
»Keine Sorge, Craig, ich habe ihn.«
»Okay, Fatty, du bist super.«
»Du kannst ihm jetzt eine Kugel durch den Bullenschädel schießen.«
»Ja, das könnte ich…«
Er hatte den Satz gedehnt ausgesprochen, was mir allerdings etwas Hoffnung gab. Für mich stand noch nicht fest, ob er wirklich schießen wollte oder noch etwas anderes vorhatte.
»Halte ihn ruhig fest, Fatty. Er soll spüren, was Schmerzen sind. Das hat Eddy auch erlebt.«
Fatty war ein kleiner Sadist. Er lachte. Dabei zitterte auch seine Hand, die sich in meinem Haar festgekrallt hatte. Jedes Zittern verursachte bei mir eine neue Schmerzwelle. Aber ich biss die Zähne zusammen und gab keinen Laut von mir.
Craig Logan nickte mir zu. »Sinclair heißt du. Das habe ich auf deinem verdammten Bullenausweis gelesen. Okay, Sinclair, wir können es schnell oder langsam machen. Ich habe mich für letzte Möglichkeit entschieden. Ich mache es langsam, sehr langsam sogar. Dabei werde ich immer an meinen Bruder denken, der auch auf eine verdammt langsame Art und Weise stirbt oder sogar schon gestorben ist. Fatty, hol mir das Messer!«
Fatty lachte. Es gefiel ihm. Zunächst ließ er mein Haar los, war mir gut tat, obwohl die Schmerzen blieben. Sie würden auch so schnell nicht verschwinden.
Logan hielt mir seine Waffe entgegen. Ich konnte genau in die Mündung hineinschauen. Sie war für mich das berühmte dunkle Auge, aus dem jeden Augenblick der Tod wie ein Blitzstrahl schießen konnte. Der Finger des noch jungen Mannes lag am Abzug. Ich wusste auch, dass er seinen Vorsatz aufgeben würde, wenn ich mich falsch bewegte. Deshalb tat ich nichts. Aber es wurde allmählich kritisch.
Craig Logan und Fatty hatten hier das große Sagen. Für mich stand fest, dass sie keinen Millimeter von ihrem Plan abweichen würden. Ihr Hass war einfach zu groß.
Fatty übergab Craig das Messer.
Logan grinste wie ein Teufel. Im Hintergrund bewegte sich Richie. Er raffte sich auf, hatte aber noch Probleme, sich zu bewegen und kam mit tappenden Schritten auf mich zu. Dabei schwankte er leicht und fluchte leise. Wahrscheinlich hätte er mir gern die Kehle durchgeschnitten, aber er hatte auch Respekt vor seinem Boss.
Die Klinge funkelte vor meinem Gesicht, als Logan sprach. »Langsames Sterben, Sinclair, weißt du, wie das ist?«
»Wie sollte ich?«
»Ich weiß es auch nicht«, erklärte er mir. »Aber mein Bruder weiß es. Und deshalb wirst du es auch bald erfahren, denn du allein trägst die Schuld an seinem langen Sterben. Auge um Auge. Tod um Tod. So ist das, mein Freund.«
Was sollte ich tun? Was konnte ich tun, um Logan von dieser wahnsinnigen Tat abzuhalten?
Nichts. Ich saß starr auf der Stelle und wurde von zwei Seiten bedroht. Richie stand im Hintergrund und schaute grinsend zu. Er hatte seine Freude daran. Normal war er auch nicht, aber wer von den Typen war das schon?
»Weißt du, wie ich dich jetzt sehe, Sinclair? Für mich bist du ein Totempfahl oder ein Marterpfahl, in den man gewisse Zeichen hineinschnitzen muss, um die Geister zu beruhigen. So wird es auch dir ergehen. Bevor ich dir die Kehle durchschneide, werde ich dich zeichnen. Ich fange mit deinem Gesicht an. Ich kenne wunderbare Muster. Ich habe mal gepierct. Ist zwar schon etwas her, aber ich habe es nicht vergessen. Ich kenne jeden Trick, jeden Schnitt, und ich freue mich schon darauf, dich schreien zu hören.«
»So holst du deinen Bruder nicht
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