1280 - Der Engel und sein Henker
grinsen. Und dieses Grinsen bewies mir, dass ich die falschen Sätze gewählt hatte, denn er schüttelte zugleich den Kopf.
»Das schaffst du nicht, Bulle. Klar, wir werden verschwinden. Aber erst nach unserem Job, verstehst du?«
»Du solltest…«
Sein Lachen unterbrach mich. Genau in diesem Augenblick wurde mir klar, dass er es tun würde.
Jedes vernünftige Denken war aus ihm entwichen. Er lebte nur noch für seine Rache, und er gab sich dabei selbst noch einen inneren Stoß.
»Einer von euch beiden!« schrie er und schoss.
Die Kugel galt Lavinia Kent!
***
In dieser kurzen und schrecklichen Zeitspanne setzte mein Denken aus. Da kam ich mir selbst vor, als würde ich neben mir stehen und die brutale Wirklichkeit wie einen Traum erleben.
Dieser Typ beging einen eiskalten Mord. Er war so verbohrt, dass er nicht…
Meine Gedanken hakten hier ein. Doch ich fand nicht zurück in die Wirklichkeit, denn was sich hier vor meinen Augen abspielte, kam mir ebenfalls wie ein böser Traum vor.
Er hatte tatsächlich auf Lavinia geschossen. Er hätte sie auch nicht verfehlt. Die Kugel wäre in ihre Brust geschlagen, und das mochte auch der Fall gewesen sein, aber Lavinia fiel nicht hin. Sie stand noch immer dort, wo sie sich aufgehalten hatte, und sie blickte ihren »Mörder« aus großen Augen an.
Craig Logan war nicht mehr in der Lage, auch nur ein Wort zu sagen. Er stand mit offenem Mund auf der Stelle. Über seine Lippen drangen Laute, wie ich sie von einem Menschen kaum gehört hatte. Das hatte nichts mehr mit Sprache zu tun. Er hätte sicherlich noch ein zweites Mal geschossen, doch das ließ er bleiben, weil ihn dieses Unwahrscheinliche des Vorgangs hatte erstarren lassen.
Die Frau war nicht tot.
Sie war erwischt worden. Die Kugel musste sie einfach getroffen haben, aber da gab es kein Kugelloch zu sehen. Vielleicht hatte ich auch nicht genau genug hingeschaut. Das war möglich, aber es stand fest, dass Lavinia nicht tot war. Sie stand nur nicht mehr auf der gleichen Stelle, sondern hatte sich etwas zur Seite gedreht, und ich hatte den Eindruck, dass ihr Körper von etwas umschlossen war, das mich irgendwie an einen dünnen Vorhang erinnerte.
Ich wusste auch, was geschehen war. Lavinias Schutzengel hatte eingegriffen und sie wieder mal gerettet, aber das war Logan nicht klar zu machen. Er zweifelte an sich selbst, und wahrscheinlich zweifelte er sogar an der ganzen Welt.
Für mich war es die Gelegenheit, etwas zu unternehmen. Es klappte nur, so lange der Schock des Killers anhielt. Und er kümmerte sich nicht um mich, er war völlig von der Rolle.
Mein Sprung riss ihn um.
Zugleich hatte ich mit beiden Händen zugeschlagen und ihn am Hals getroffen. Es war einer dieser Schläge, die Suko mir beigebracht hatte. Man konnte damit einen Gegner paralysieren. Nur war es wichtig, die richtigen Stellen zu treffen.
Das war mir in diesem Fall gelungen, denn beinahe noch im Stehen sackte Craig Logan in die Knie.
Er fiel einfach um. Paralysiert! Genau das war es, denn er bewegte sich nicht mehr. Im Gegensatz zu mir. Ich war in eine schon fieberhafte Hektik verfallen, weil ich nicht wusste, wie lange der Zustand anhalten würde, denn eine derartige Aktion war auch für mich relativ neu.
Zumindest schaffte ich es, Logan zu entwaffnen. Ich holte mir die Beretta zurück und nahm ihm auch den Revolver ab, der Platz in meinem Gürtel fand. Dabei achtete ich nicht auf Lavinia und Fatty, aber ich hörte sie. Besonders Fattys Stimme drang sehr deutlich an meine Ohren.
»Nein, nein, nein… ich ich habe nichts getan. Das ist er gewesen, verflucht. Nur er, versteht ihr das? Ich habe nichts getan, gar nichts.« Fatty war zu einem zitternden Bündel geworden. Seine Worte galten Lavinia, die jedoch nicht hinhörte, obwohl sie vor ihm stand und ihn anschaute. Aber sie sah zugleich durch ihn hindurch und machte auf mich den Eindruck, als wäre sie gar nicht mehr da.
Ich nahm mir die Zeit und schaute sie genauer an. Lavinia Kent war sehr blass geworden. Die Haut hatte sich stark verändert, aber durchscheinend war sie nicht. Und trotzdem glich sie einer Person, die nicht mehr so war wie ich sie kannte.
Fatty hielt es nicht mehr aus. Plötzlich brüllte er auf, warf sich herum und rannte weg. Nichts wollte er mit uns zu tun haben. Er jagte mit langen Schritten und auch stolpernd auf die offene Tür zu, durch die er verschwand. Noch im anderen Teil der Wohnung hörte ich ihn schreien, bis dann die Haustür mit einem harten Schlag
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